Noch kommt, wenn man diese Worte googelt, als erstes die Nummer der Telefonseelsorge.
Warum wir „noch“ schreiben? Naja, letztes Jahr zum Aschermittwoch, hat das Bundesverfassungsgericht
in Deutschland die Karten zum Thema „Beihilfe zum Suizid“ neu gemischt. Trumpf ist jetzt die ‚Autonomie‘.
Aber der Reihe nach:
(Wir werden an manchen Stellen leicht übertreiben,
aber das soll zur Verdeutlichung dienen
und keinesfalls pietätlos sein.)
Was bisher geschah
Am 26. Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht, das vom Bundestag im Jahr 2015 beschlossene
„Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ und den dazugehörigen §217 StGB gekippt.
Seit dem Aschermittwoch letzten Jahres ist also in Deutschland wieder jede Beihilfe zum Suizid straffrei.
„Mehr noch: Indem die Karlsruher Richter nicht bloß konstatierten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht
(Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) als Ausdruck persönlicher Autonomie auch ein Recht auf selbstbestimmtes
Sterben umfasse, sondern die individuelle Selbstbestimmung über die Fortsetzung oder Beendigung des eigenen
Lebens einschließlich der Inanspruchnahme der Hilfe Dritter bei der Selbsttötung zum Kern der Menschenwürde
erklärten, erschufen sie damit gewissernmaßen eine Art Grundrecht auf Suizid.“ (Rehder, 2020, S. 4)
(Hier das Gerichtsurteil selbst.
Hier die Pressemitteilung des BverfG.
Und Hier eine Analyse des Gerichtsurteils.)
Der Stand der Dinge
Nun gibt es mehrere Gesetzesentwürfe, die in das
schwierige Thema Rechtssicherheit bringen sollen.
Grundgedanke bei allen Entwürfen, so wie es auch schon beim Gerichtsurteil war und ist:
Autonomie/Selbstbestimmung ist Trumpf und sticht alles.
(Warum das schlimm ist? Später mehr.)
Bis jetzt am am pointiertesten trifft es der Vorschlag der Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte (Linke). Deren § 1 (Recht auf Hilfe zur Selbsttötung) lautet wie folgt: „Jeder, der aus autonom gebildetem, freiem Willen sein Leben beenden möchte, hat das Recht hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen.“
Helling-Plahr selbst sagte auf der Pressekonferenz:
„Einen gegen die Autonomie gerichteten Lebensschutz
kann und darf es nicht geben.“
Hier gibt’s den Gesetzesentwurf von Helling-Plahr, Lauterbach und Sitte.
Hier gibt’s den Gesetzesentwurf der Grünen.
Für alle, die mehr wissen wollen:
Hier gibt es einen Kommentar zu den Entwürfen der CDL.
Hier einen Kommentar vom Institut für Ehe und Familie.
Hier ein Kommentar von Sterbehilfe-Debatte.de.
Und hier einen von Stefan Rehder von der Tagespost.
Was (todsicher) kommen wird
Wenn wir uns von diesem Dammbruch, wie einige dieses Urteil des BverfG. nennen,
wegspülen lassen, stehen uns ein paar mächtige, ethische Stromschnellen bevor:
Bekommen in Zukunft Menschen,…
…die nicht den Tod sondern das Leben fürchten, auch Beihilfe?
…die vor Jahren eine Willenserklärung zwecks „Hilfe“ abgegeben haben
ihren damaligen Willen, obwohl niemand weiß, ob sie inzwischen ihre Meinung geändert haben?
…die jetzt Demenzpatienten sind, Suizidbeihilfe nur gegen eine Willenserklärung?
…die so „dumm“ waren keine Willenserklärung abzugeben, diese „Erlösung“ nicht?
Entwickelt sich dadurch eine Rechtsungleichheit?
…Suizidbeihilfe im Schaufenster, also Suizid à la Carte, angeboten?
(Nur so viel: „Dass die Suizidassistenz gegen Bezahlung nicht
unter Strafe gestellt wird, ist ein Fehler. Wenn für die organisierte
Hilfe zur Selbsttötung bezahlt werden muss, bleibt die Selbstbestimmung
des Sterbewilligen auf der Strecke“, Eugen Brysch,
Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.)
…Tür und Tor für das Geschäft mit der Hoffnungslosigkeit geöffnet?
…denen die Suizidbeihilfe, aus welchen Gründen auch immer verweigert wurde,
eine (noch) tiefere Depression und bringen sich ohne Beihilfe um? Einmal Suizid-Klassisch quasi?
…die sehen wie sich andere „helfen“ lassen, es mit dem Werther Effekt zu tun?
…die ein gewisses Alter erreicht haben, zu ihrem jeweiligen Geburtstag von
Freunden und Verwandten einen Gutschein für die Sterbeklinik geschenkt?
Damit am Lebensabend die Sonne auch bald untergeht.
…die über 80Jahre alt sind, mit abwertenden Blicken von der Gesellschaft signalisiert,
dass es langsam Zeit ist zu gehen? Die produktive Lebenszeit, in der man was für die Gesellschaft leistet,
ist doch längst überschritten. „Aber jetzt, hopp, hopp ab ins (Sterbe)Bett! Es ist schon ziemlich spät!“
…besonders die, die sich in vulnerablen Situationen befinden, die Schutzfunktion des Staates verwehrt?
Ist der Staat, wenn er seiner Aufgabe, die Schwachen zu schützen,
nicht nachkommt, in dem Falle ein Brandbeschleuniger?
…die Ärzte sind, ihrer Pflicht Leben zu retten überhaupt noch nach?
…vermittelt, dass es für jede Situation eine definitive „Exit-Strategie“ gibt?
„Das Land verlassen war gestern. Verlassen sie noch heute Ihren Körper.“
…und zwar alle Menschen, eine Befreiung von der Fürsorgepflicht für andere?
…zum Suizid verleitet anstatt dass ihnen wirklich geholfen wird?
(Mehr dazu hier)
Die Trumpfkarte wird gespielt. Aber mit ihr gewinnt man keine Klarheit.
Mit einer Erlaubnis zur Suizidbeihilfe tun wir uns keinen Gefallen.
Die letzten Worte…
…die uns durch den Kopf schießen:
Gründe für einen Wunsch nach Suzid entstammen nicht einer nüchternen Bilanzierung,
sondern oft, sehr oft, ist Verzweilfung der Auslöser für einen Selbstmord(versuch/wunsch).
–
Die äußeren Umstände sind subjetiv so belastend für den Menschen,
dass er nur den einen letzten Weg sieht. Aber das ist dann
im tiefsten Kern keine Selbst-, sondern Fremdbestimmung!
–
Früher wollten wir an der Hand lieber Menschen sterben.
Heute wollen wir also durch ihre Hand sterben?
Es scheint als wäre die Krone der Selbstbestimmung der Tod!
Wollen wir sie uns nun aufsetzen?
Hier noch ein Youtube-Interview „Schmerz ausknipsen geht immer“ zum Thema.
Quellen:
Photo by Barry Weatherall on Unsplash
Photo by Andreea Popa on Unsplash
Photo by Guilman from Pexels
Photo by Cristian Newman on Unsplash
Photo by Glen Carrie on Unsplash
elijah-o-donnell-1156499-unsplash.jpg
AlfA Lebensforum Magazin 4/2020; aufgerufen am 16.02.2021
AlfA Lebensforum Magazin 2/2020; aufgerufen am 16.02.2021
Und die schon im Text verlinkten Seiten wurden als Quellen
verwendet und am 16.02.2021 aufgerufen.
Markus Richter
Aschermittwoch.
Wir schreiben das Jahr 2020. Corona ist eine Biersorte und das Virus geht uns noch gar nichts an.
Ein Gesetz wird erlassen, welches Menschen erlaubt über ihren Tod selbst verfügen zu dürfen. Sie dürfen Fremde „Hilfe“ in Anspruch nehmen, um ihr Leben zu beenden.
Aschermittwoch 2021.
Fast ein Jahr mit dem Coronavirus liegt hinter uns und unser Leben hat sich gründlich geändert.
Der Mensch (ich denke vor allem an die Älteren) darf sein Leben mit „Hilfe“ beenden (seien es Medikamente o.ä.). Er darf aber NICHT geliebte Menschen treffen, weil er sich dadurch mit dem Virus anstecken und sterben könnte…
Welche heuchlerische Doppelmoral!
Ein steriles, gezielt herbei geführtes Sterben ist gesetzlich möglich und gewollt, aber den Lebensabend in Gemeinschaft zu verbringen wird verweigert, weil es tödlich enden könnte…
Macht vielleicht in einem Paralleluniversum Sinn, aber hier nicht!