‚Das Gesetz‘, durch das Butler unser (sexuelles) Verhalten bestimmt sehen will, wäre geklärt. Heute müssen wir uns noch einem weiteren, sehr wichtigen Punkt in der Argumentation in ‚Das Unbehagen der Geschlechter‘ zuwenden. Wenn wir den verstehen, dann bleibt am Ende nichts übrig. Paradox? Schauen wir mal. Also dann: Es werde Nichts.
‚Nichts‘ am Anfang
Am Anfang, bevor allerhand Zitate kommen, will ich euch wieder einen kurzen Abriss geben: Butler kritisiert, dass man beim Menschen von einem inneren Wesenskern, einer Substanz ausgehe. Daraus würde sich so etwas wie eine Identität bilden, ein innerer Organisationskern. Das es so etwas geben soll, hält sie jedoch für eine Illusion. Diese Illusion nutzt aber ‚das Gesetz‘ um den Menschen zu sagen, dass sie entweder eine Frau oder ein Mann seien. Außerdem werde durch die Illusion die Heterosexualität reguliert, so Butler.
Sie zweifelt aber daran, dass es einen inneren Wesenskern gebe. Würde man es philosophisch formulieren dann zweifelt sie daran, dass es beim Menschen ein (So-)‘Sein‚ gebe. Sie ist der Meinung, dass wenn sich die Vorstellung von der unvergänglichen Substanz (vom Wesenskern) als fiktiver Entwurf entpuppt,1 dann kommen die Kategorien ‚Mann‘ und ‚Frau‘, die einen Menschen so sein lassen, in große Erklärungsnot. Ihnen fehlt dann die Grundlage für ihre Da-Seins-Berechtigung.
Und das ist der springende Punkt. Butler schreibt: „Meine These ist […], daß es keinen ‚Täter hinter der Tat gibt‘, sondern daß der Täter in unbeständiger, veränderlicher Form erst in und durch die Tat hervorgebracht wird.„2 Es gebe keine Substanz mehr, schreibt sie an anderer Stelle. Es gebe nur noch Taten. Anders formuliert: es zähle nur noch unsere Performanz, unsere Darstellung. Wenn Butlers These stimmen würde, dann erschaffen wir uns erst durch unsere Handlungen (immer wieder neu). Und dieses Erschaffene bliebe immer unbeständig und wäre jederzeit veränderbar.
Kurz gesagt: Butler negiert, dass es einen inneren Wesenskern gibt. Identität ist für sie nur inszenierte Phantasie. Also gibt es uns (im Kern) gar nicht. Wir müssten uns erst durch Handlungen/Performanzen (neu)kreieren. Hätte Butler mit dieser Theorie Recht, dann haben wir in uns: ‚Nichts‘.
Wer sich jetzt noch nicht in Luft aufgelöst hat, darf gerne weiter lesen. Jetzt kommen nämlich die Belege für das was Butler uns versucht aufzutischen. Wohl bekomm’s.
Was bedeutet ‚Metaphysik der Substanz‘?
Im ersten Viertel des Buches kommt Butler relativ häufig auf den sperrigen und hochgestochenen Begriff ‚Metaphysik der Substanz‘ zu sprechen. Bei Metaphysik handelt es sich um eine Grunddisziplin der Philosophie. Sie behandelt die Zusammenhänge, die sich hinter (Meta) der sinnlich erfahrbaren, natürlichen Welt (Physik) befinden.3
‚Substanz‘ wiederum meint „[i]n der Philosophie […]die Bezeichnung des Begriffs für das unveränderliche, beharrende und selbstständige Seiende, dasjenige, das ‚unter‘ den veränderlichen Eigenschaften bzw. Akzidenzien ‚steht‘. Spätestens seit Descartes werden darunter hauptsächlich individuelle Gegenstände (dieses Haus, dieser Mensch) verstanden, deren Kategorie die Substanz ist.“4 ‚Metaphysik der Substanz‘ soweit also klar? Dann kann’s ja los gehen.
Judith Butler geht davon aus, dass die Kategorien ‚weiblich’/ ‚männlich‘ bzw. ‚Frau’/ ‚Mann‘ im binären Rahmen in gleicher Weise produziert werden. Das kann nur passieren, weil diese Kategorien auf der Metaphysik der Substanz beruhen.5 „Die unreflektierte Behauptung, heterosexuell oder/ und eine Frau zu ’sein‘, ist also symptomatisch für die Metaphysik der Substanz.„6 Butler spricht von der Illusion eines inneren Organisationskerns der Geschlechtsidentität, welcher erst durch Akte, Gesten, artikulierte und inszenierte Begehren, geschaffen wird. Damit meint sie aus ihrer Sicht eine Illusion, die durch logisches und methodisches Schlussfolgern (diskursiv) aufrechterhalten wird, um die Sexualität innerhalb des vorgeschriebenen Rahmens der reproduktiven Heterosexualität zu regulieren.7 Frau Butler, Sie haben selbst das Wort:
„Die humanistischen Konzeptionen des Subjekts neigen in erster Linie dazu, eine substantielle Person zu unterstellen, die als Träger verschiedener, wesentlicher und unwesentlicher Attribute auftritt. Eine humanistische feministische Position würde also die Geschlechtsidentität als Attribut einer Person begreifen, die wesentlich als eine ihrer geschlechtlichen Bestimmtheit vorangehende Substanz (pregendered substance) oder als ‚Kern‘ charakterisiert ist“.8
Willkommen im Nichts
„Sobald wir jedoch die Priorität von ‚Mann‘ und ‚Frau‘ als bleibende, unvergängliche Substanzen aufkündigen, lassen sich die unvereinbaren Geschlechtsmerkmale nicht mehr als sekundäre und akzidentielle Charakteristika einer im Grunde intakten Geschlechter-Ontologie (gender ontology) unterordnen. Erweist sich die Vorstellung von der unvergänglichen Substanz als fiktive Konstruktion, die durch die zwanghafte Anordnung von Attributen in kohärenten Reihen erzeugt wird, so sieht sich die Geschlechtsidentität als Substanz bzw. die ‚Lebensfähigkeit‘ von Mann und Frau als Substantive durch das unvereinbare Spiel der Adjektive, die nicht mehr sequentiellen oder kausalen Intelligibilitätsmodellen entsprechen, in Frage gestellt.„9 Kann ich das nochmal zum mitschreiben und ohne die Nebensätze bekommen?
„Erweist sich die Vorstellung von der unvergänglichen Substanz als fiktive Konstruktion […] so sieht sich […] die ‚Lebensfähigkeit‘ von Mann und Frau […] in Frage gestellt.“10
Um das Ende vorweg zu nehmen, Spoiler Alert: Für Butler ist es längst erwiesen, dass die unvergängliche Substanz eine fiktive Konstruktion sei. Wegen der zwanghaften Anordnung von Attributen in kohärenten Reihen müsste ich aber nochmal nachhaken. Vermutlich meint sie damit die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, die ich bis jetzt ‚engstirnig‘ aber auch ‚unwissentlich‘ als Attribute einer ansonsten fiktiven Konstruktion (als Identität) angesehen habe. Alles Illusion, meint Butler.
Aber wie findet sie zu diesem illusorischen Punkt? Ganz einfach: sie entkernt den menschlichen Körper. Sie entfernt die metaphysische Substanz und damit den inneren Wesenskern. Übrig bliebe dann ein Körper, der lediglich durch das Gesetz kulturell binär bestimmt sei. Von Außen. Und es bliebe die Geschlechtsidentität:
„Diese radikale Formulierung der Unterscheidung anatomisches Geschlecht (sex)/Geschlechtsidentität (gender) legt nahe, daß die sexuell bestimmten Körper eine Reihe unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten hervorrufen können, und weiter: daß die Geschlechtsidentität selbst nicht unbedingt auf die gewöhnliche Zweiheit eingeschränkt ist. Wenn das anatomische Geschlecht der Geschlechtsidentität keine Grenzen setzt, existieren vielleicht Geschlechtsidentitäten, d. h. Möglichkeiten, den sexuell bestimmten Körper kulturell zu interpretieren, die keineswegs durch die scheinbare Dualität der Geschlechter (duality of sex) eingeschränkt werden.“11 Verlassen wir hier gerade den Boden der Tatsachen?
Okay, okay: Das könnte vielleicht alles noch etwas unklar sein, aber vielleicht bringt dieses Zitat mehr Licht: „Betrachten wir noch eine weitere Konsequenz: Wenn die Geschlechtsidentität etwas ist, was man wird – aber nie sein kann -, ist die Geschlechtsidentität selbst eine Art Werden oder Tätigkeit, die nicht als Substanz oder als substantielles Ding oder als statistische kulturelle Markierung aufgefaßt werden darf, sondern eher als eine Art unablässig wiederholte Handlung. Ist die Geschlechtsidentität weder ursächlich noch als Ausdruck an das anatomische Geschlecht gebunden, dann ist die Geschlechtsidentität eine Art Tätigkeit, die sich potentiell jenseits der binären Schranken, die die scheinbare Binarität der Geschlechter (binary of sex) setzt, vervielfältigen kann.“12
Zum mitschreiben: Die Substanz ist weg. Deswegen könnte man nur zu so etwas wie einer Identität werden, niemals eine Identität ‚Sein‘. Die Aufforderung „Werde der du bist“ gehe somit ins Leere. Butler schlussfolgert, dass die (Geschlechts)Identität nicht mehr an die Anatomie gebunden sei. Wenn das wahr wäre, dann gebe es für die Geschlechtsidentität keine binären Schranken mehr.
Das Geschlecht als solches, wie wir es bisher kannten, gebe es, laut Butler nicht mehr. Es sei nur „eine politische und kulturelle Interpretation des Körpers“.13 Nun hält uns wahrlich ‚Nichts‘ mehr. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Butler meint, dass „die Attribute der Geschlechtsidentität nicht expressiv sondern performativ sind“,14 die Attribute drücken sich also nicht aus, sie spiegeln nicht etwas ihnen zugrunde liegendes wider, sie offenbaren nichts. Dann, so Butler, „wird die Identität […] in Wirklichkeit durch diese Attribute konstituiert. Die Unterscheidung zwischen Ausdruck und Performanz ist zentral; Wenn die Attribute und Akte der Geschlechtsidentität, die verschiedenen Formen, in denen ein Körper seine kulturelle Bezeichnung zum Vorschein bringt oder produziert, performativ sind, gibt es keine vorgängige existierende Identität, an der ein Akt oder Attribut gemessen werden könnte.“15 Das wär’s dann gewesen mit den ‚typisch Mann‘ und ‚typisch Frau‘ Floskeln. „Es gibt dann weder wahre noch falsche, weder wirkliche noch verzerrte Akte der Geschlechtsidentität, und das Postulat einer wahren geschlechtlich bestimmten Identität enthüllt sich als regulierende Fiktion.“16
Pointierter formuliert sie es noch ein paar Seiten später: „Das ‚Reale‘ und das ’sexuell Faktische‘ sind phantasmatische Konstruktionen – Illusionen von Substanz, denen sich der Körper annähern muß, ohne sie jemals zu erreichen.“17 Ladies und Gentlemen, meine Damen und Herren, sind wir jetzt schwerelos? Butler hat uns von der Biologie und der Physik befreit und wir sind nun selber in gewisser Weise metaphysisch geworden. Sie dreht den Menschen wie ein Oberteil quasi auf links: Das vorher äußerlich sichtbare Geschlecht verschwindet nach Innen und wird somit unsichtbar. Somit verschwimmt alles und der Leib wird völlig irrelevant.
„Wenn die Desorganisierung und Zersetzung des Feldes der Körper die regulierende Fiktion der heterosexuellen Kohärenz stört, verliert das Ausdrucksmodell seine Beschreibungskraft: das regulierende Ideal entlarvt sich als Norm und Fiktion, die sich selbst als Entwicklungsgesetz verkleidet und das sexuelle Feld, das sie angeblich nur beschreibt, in Wirklichkeit reguliert.“18 Tschüss Wissenschaft. Der wissenschaftliche Anspruch, die Dinge nur zu beschreiben wie sie in Wirklichkeit sind, geht völlig ins Leere. Butler will/kann die Dinge nicht mehr beschreiben, die sie vor-findet. Sie will/muss sie konstituieren. Nach Butler helfe die Wissenschaft eigentlich nur dabei das Feld der Sexualität zu regulieren.19
„Wenn man dagegen die Identifizierung als inszenierte Phantasie oder als Einverleibung versteht, wird deutlich, daß die Kohärenz begehrt, erwünscht und idealisiert wird und daß diese Idealisierung der Effekt einer leiblichen Bezeichnung ist. Anders formuliert: die Akte, Gesten und Begehren erzeugen den Effekt eines inneren Kerns oder einer inneren Substanz: doch erzeugen sie ihn auf der Oberfläche des Körpers, und zwar durch das Spiel der bezeichnenden Abwesenheiten, die zwar auf das organisierende Identitätsprinzip hinweisen, aber es niemals enthüllen.“20
Unsere Handlungen und Performanzen würden, laut Butler, so etwas wie einen inneren Kern erst hervorrufen. Außerdem sagt sie, dass wenn man sich als ‚Mann‘ oder ‚Frau‘ sieht, läge das daran, dass man das Gesetz einverleibt hat. Man hat seinen Körper von Außen beschreiben lassen, was das Gefühl von einem inneren Wesenskern zur Folge habe. Somit hätte man das Gesetz einverleibt und kann sich konform als ‚Mann‘ oder ‚Frau‘ identifizieren.21
Identität ist nur eine inszenierte Phantasie?
Die Frage nach dem ‚wer bin ich‘ (die Frage nach dem ‚Sein‘), hat für Butler schon etwas komisches.22 Die Aufforderung ‚werde der du bist‘ hat jetzt nach allen Zitaten auch wenig Sinn. Angesichts der Behauptung, dass es kein ‚Sein‘ mehr gibt, wäre das sinnlos. ‚Ich bin‘, ‚du bist‘, ‚er ist‘, ‚wir sind‘: Alles Schnee von gestern. So gesehen ist das eigentlich alles phantasmatischer Nonsens.
Butler stellt aufgrund dessen „[d]ie Forderung, die Kategorie der Geschlechtsidentität außerhalb der Metaphysik der Substanz neu zu überdenken„.23 Dabei regt sie an, dass dies „auch die Tragweite von Nietzsches These in Betracht ziehen [muß], daß es kein Seiendes hinter dem Tun gibt, daß die ‚Täter‘ also bloß eine Fiktion, die Tat dagegen alles ist. Entsprechend können wir in einem weitergehenden Schritt, den Nietzsche übrigens weder vorhergesehen hat noch geduldet hätte sagen: Hinter den Äußerungen der Geschlechtsidentität (gender) liegt keine geschlechtlich bestimmte Identität (gender identity). Vielmehr wird diese Identität gerade performativ durch diese Äußerungen konstituiert, die angeblich ihr Resultat sind.“24
„Die fundamentalistische Argumentation der Identitätspolitik tendiert zu der Annahme, daß zuerst eine Identität da sein muß, damit die politischen Interessen ausgearbeitet werden können und dann das politische Handeln einsetzen kann. Meine These ist dagegen, daß es keinen ‚Täter hinter der Tat gibt‘, sondern daß der Täter in unbeständiger, veränderlicher Form erst in und durch die Tat hervorgebracht wird. Es geht hier nicht um eine Rückkehr zur existentialistischen Theorie des Selbst [damit meint sie u.a. Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir], das sich durch seine Akte konstituiert. Die existentialistische Theorie hält sowohl das Selbst wie für seine Akte an einer vordiskursiven Struktur fest.“25
Es gibt keinen Täter hinter der Tat? Interessante These. Ich könnte jetzt akademisch verständlich nicken und vorgeben als wüsste ich, dass sie mit der ‚Tat natürlich nur Rahmen der Performanz versteht‘. Oder wir nehmen den Satz wie er da steht. Dann ist er sehr verlockend. Spätestens in der Justiz. Gibt es dann auch keine Opfer mehr? Das läge ziemlich kernig in Nietzsches Logik, dem eh alles Schwache zuwider war. Aber sei’s drum.
Zusammenfassung
Ich hatte am Montag bei ‚Foucault, Weshalb, Warum‘ schon angedeutet, dass Butler Foucault’s These übernimmt und davon ausgeht, dass „[n]icht die Seele […] im Körper eingekerkert [ist], wie die christliche[n] Vorstellungen suggerieren, sondern ‚die Seele [das] Gefängnis des Körpers'“ sei.26 Alles unter der Überschrift „Von der Innerlichkeit zu den Performanzen der Geschlechtsidentität“.27 Für Butler gibt es keine Innerlichkeit mehr. Diese sei lediglich ein illusorischer Effekt, der durch Handlungen, Beschreibungen von Außen oder die Diktate des Gesetzes hervorgerufen werde. Es gebe damit logischerweise keinen Täter mehr hinter der Tat. Das ist ziemlich schwierig zu denken. Am schwierigsten ist es, diesen Gedanken dann auch noch mit der Realität in Einklang zu bringen.
Aber was nun? „Wohin bewegen wir uns? […] Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts?“28 ‚Performiert euch!‘ ruft Judith Butler den armen Irrenden zu. Aber wohin performieren wir uns? „Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden?„29
Für heute soll’s das gewesen sein. Lasst uns morgen weiter darüber gender-sprechen.
Quellen zuletzt aufgerufen am 23.03.2023:
1: Siehe Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Erste Auflage 1991, 22. Auflage 2021, Suhrkamp, S. 48.
2: ebd., S. 209.
3: Metaphysik Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Metaphysik.
4: Substanz Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Substanz.
5: Siehe Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Erste Auflage 1991, 22. Auflage 2021, Suhrkamp, S. 46.
6: ebd., S. 44, Hervorheb. d. Autors.
7: Siehe ebd., S. 200. Butler schreibt: „[D]ie ‚Anlagen‘ sind die Spuren einer Geschichte zwanghafter sexueller Verbote, eine Geschichte, die nicht erzählt wird und durch die Verbote auch nicht-erzählbar gemacht werden soll.“ (Das Unbehagen der Geschlechter S. 103); „Foucault zufolge ist kein Körper vor seiner Bestimmung innerhalb eines Diskurses – durch den er mit einer ‚Idee‘ des natürlichen oder wesentlichen Sexus versehen wird – in irgendeinem Sinne als ’sexuell bestimmter‘ anzusehen. Innerhalb des Diskurses gewinnt der Körper allerdings nur im Kontext von Machtbeziehungen eine Bedeutung. Die Sexualität meint hier eine geschichtlich spezifische Organisation von Macht, Diskurs, Körpern und Affektivität. Als solche bringt sie, so Foucault, den ‚Sexus‘ als künstliches Konzept hervor, das die Machtbeziehungen, die für seine Genese verantwortlich sind, erweitert und zugleich verschleiert.“ (Das Unbehagen der Geschlechter S. 140)
8: ebd., S. 28f., Hervorheb. d. Autors.
9: ebd., S. 48, Hervorheb. d. Autors.
10: ebd., Hervorheb. d. Autors.
11: ebd., S. 167, Hervorheb. d. Autors.
12: ebd., S. 167, Hervorheb. d. Autors.
13: ebd., S. 169.
14: ebd., S. 207.
15: ebd., Hervorheb. d. Autors.
16: ebd., S. 207f, Hervorheb. d. Autors.
17: ebd., S. 214, Hervorheb. d. Autors.
18: ebd., S. 200, Hervorheb. d. Autors.
19: Butler schreibt: „Zudem wird diese Identität durch die beständige Anwendung dieses Tabus hervorgebracht und aufrechterhalten, und zwar nicht nur in der Stilisierung des Körpers gemäß den diskreten Kategorien des anatomischen Geschlechts (sex), sondern auch in der Produktion und ‚Disposition‘ des sexuellen Begehrens. Die Sprache der Anlagen (disposition) geht von einer verbalen Konstruktion (veranlagt sein) in eine substantivistische Konstruktion über, die sie erstarren läßt (Anlagen haben). Damit kommt die Sprache der Anlagen letztlich als falscher Fundamentalismus daher, da die Resultate der Affektivität durch die Auswirkungen des Verbots geformt oder ‚fixiert‘ werden. Folglich sind die Anlagen keine primären sexuellen Gegebenheiten der Psyche, sondern produzierte Effekte eines Gesetzes, das von der Kultur und den komplizenhaften, umwertenden Akten des Ich-Ideals auferlegt wird.“ (Das Unbehagen der Geschlechter S. 102).
20: Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Erste Auflage 1991, 22. Auflage 2021, Suhrkamp, S. 200.
21: Butler schreibt: „Der Effekt eines strukturierenden Innenraums entsteht durch die Bezeichnung des Körpers als vitales, heiliges, eingezäuntes Gebiet.“ (Das Unbehagen der Geschlechter S. 199); „Mit anderen Worten: Akte, Gesten, artikulierte und inszenierte Begehren schaffen die Illusion eines inneren Organisationskerns der Geschlechtsidentität (organizing gender core), eine Illusion, die diskursiv aufrechterhalten wird, um die Sexualität innerhalb des obligatorischen Rahmens der reproduktiven Heterosexualität zu regulieren. Wenn dagegen die ‚Ursache‘ des Begehrens, der Gesten und Akte im ‚Selbst‘ des Akteurs anzusiedeln ist, werden die politischen Regulierungen und Disziplinierungsverfahren, die diese scheinbar kohärente Geschlechtsidentität hervorbringen, der Sicht entzogen. Diese Verschiebeung, die den politischen und diskursiven Ursprung der Geschlechtsidentität in einen politischen und diskursiven Ursprung der Geschlechtsidentität in einen psychologischen ‚Kern‘ verwandelt, verhindert eine Analyse der politischen Konstitution des geschlechtlich bestimmten Subjekts und seiner fabrizierten/ erfundenen Vorstellung von der unsagbaren Innerlichkeit seinen Geschlechts und seiner wahren Identität.“ (Das Unbehagen der Geschlechter S. 200)
22: Butler schreibt: „Allerdings verschiebt sich die universelle Konzeption der Person durch jene historischen und anthropologischen Positionen, die die Geschlechtsidentität als ein Verhältnis zwischen gesellschaftlich konstituierten Subjekten in spezifisch bestimmbaren Kontexten verstehen, zu einem Ausgangspunkt für eine Gesellschaftstheorie der Geschlechtsidentität. Dieser Gesichtspunkt der Relation oder des Kontextes legt nahe, daß das, was die Person und übrigens auch die Geschlechtsidentität ‚ist‘, jeweils von den konstruierten Relationen abhängt, in denen sie definiert werden. Als sich ständig verschiebendes (shifting) und kontextuelles Phänomen bezeichnet die Geschlechtsidentität nicht ein substantiell Seiendes, sondern einen Schnittpunkt zwischen kulturell und geschichtlich spezifischen Relationen.“ (Das Unbehagen der Geschlechter S. 28).
23: Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Erste Auflage 1991, 22. Auflage 2021, Suhrkamp, S. 49, Hervorheb. d. Autors.
24: ebd., S. 49, Hervorheb. d. Autors; Und Nietzsche schreibt: „‚Leib bin ich und Seele‘ – so redet das Kind. Und warum sollte man nicht wie die Kinder reden? Aber der Erwachte, der Wissende sagt: Leib bin ich ganz und gar, und Nichts ausserdem; und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas am Leibe. Der Leib ist eine grosse Vernunft, eine Vielheit mit Einem Sinne, ein Krieg und ein Frieden, eine Heerde und ein Hirt. Werkzeug deines Leibes ist auch deine kleine Vernunft, mein Bruder, die du ‚Geist‘ nennst, ein kleines Werk- und Spielzeug deiner grossen Vernunft. ‚Ich‘ sagst du und bist stolz auf diess Wort. Aber das Grössere ist, woran du nicht glauben willst, – dein Leib und seine grosse Vernunft: die sagt nicht Ich, aber thut Ich.“ (Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Nikol Verlag, 11. Auflage, 2022, S. 30; bzw. https://www.lernhelfer.de/sites/default/files/lexicon/pdf/BWS-DEU2-0517-03.pdf).
25: Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter, Erste Auflage 1991, 22. Auflage 2021, Suhrkamp, S. 209, Hervorheb. und Anmerk. d. Autors.
26: ebd., S. 199: „[I]n Foucaults Worten: Nicht die Seele ist im Körper eingekerkert, wie die christliche[n] Vorstellungen suggerieren, sondern ‚die Seele (ist das) Gefängnis des Körpers.“
27: ebd., S. 198
28: Friedrich Nietzsche, Fröhliche Wissenschaft, 7. Auflage, Stuttgart, Kröner Verlag, 1986, Drittes Buch – 125, S. 140-141, Hervorheb. d. Autors: „‚Wohin ist Gott? rief er, ich will es euch sagen! Wir haben ihn getödtet,—ihr und ich! Wir Alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diess gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Giebt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden? Hören wir noch Nichts von dem Lärm der Todtengräber, welche Gott begraben? Riechen wir noch Nichts von der göttlichen Verwesung?—auch Götter verwesen! Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getödtet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besass, es ist unter unseren Messern verblutet,—wer wischt diess Blut von uns ab? Mit welchem Wasser könnten wir uns reinigen? Welche Sühnfeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen? Ist nicht die Grösse dieser Tat zu gross für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Es gab nie eine grössere Tat,—und wer nur immer nach uns geboren wird, gehört um dieser Tat willen in eine höhere Geschichte, als alle Geschichte bisher war!'“ Hervorheb. d. Autors.
29: ebd.
Bildnachweise: Frauen mit Eierschalen auf Kopf: https://unsplash.com/photos/F3KHLtv6844?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Frau hält Smile vors Gesicht: https://unsplash.com/photos/YwnF1Sfsagw?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Mann und Frau: https://unsplash.com/photos/pYj8JqOIOHc?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Springt aus Pfütze: https://unsplash.com/photos/oTQVwECws8o?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Gruppe auf Bühne performen: https://unsplash.com/photos/TK_WT3dl2tw?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Frau steh mit Spiegel im Feld: https://unsplash.com/photos/M19QtooXPKs?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink
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