Die Überschrift ist im Grunde ein Zitat von Max Horkheimer. Horkheimer war als Sozialphilosoph einer der Begründer der sog. Frankfurter Schule. 1970 führte Helmut Gumnior (H.G.) ein Interview mit Horkheimer in dem u.a. der zitierte Satz fiel.
[Aus Respekt und Achtung vor Horkheimer und um ihn nicht plump vor irgendeinen Karren zu spannen, zitieren wir euch auch den Kontext in dem er auf „die Pille“ zu sprechen kommt. Deswegen jetzt hier Max Horkheimer, in „Die Sehnsucht nach dem ganz Anderen – Ein Interview mit Kommentar von Helmut Gumnior“; 9.-16. Tausend Mai 1971; Furche Verlag; S. 73-75]
„H.G.: Herr Horkheimer, Sie haben zum nicht geringen Erstaunen vieler ihrer Schüler und Freunde veruscht, die Enzyklika des Papstes zu rechtfertigen, in der er den Katholiken den Gebrauch künstlicher geburtenregelnder Mittel untersagt. Der Papst berief sich dabei auf ein göttliches Gebot. Worauf haben Sie sich bei Ihrer Verteidigung des Verbotes berufen?
Max Horkheimer: Die Kritische Theorie, und ich habe als kritischer Theoretiker gesprochen, hat eine doppelte Aufgabe. Sie will das, was verändert werden soll, bezeichnen, sie will aber auch das, was zu erhalten ist, nennen. Sie hat deshalb auch die Aufgabe zu zeigen, welchen Preis wir für diese und jene Maßnahme, für diesen oder jenen Fortschritt bezahlten müssen. Die Pille müssen wir mit dem Tod der erotischen Liebe bezahlen.
H.G.: Warum?
Max Horkheimer: Liebe gründet in der Sehnsucht, in der Sehnsucht nach der geliebten Person. Sie ist nicht frei vom Geschlechtlichen. Je größer die Sehnsucht nach Vereinigung mit dem geliebten Menschen ist, um so größer ist die Liebe. Hebt man nun dieses Tabu des Geschlechtlichen auf, fällt die Schranke, die Sehnsucht weitgehend erzeugt, dann verliert die Liebe ihre Basis.
H.G.: Und dies meinen Sie, geschehe etwa durch die Pille?
Max Horkheimer: Ja. Die Pille macht Romeo und Julia zu einem Museumsstück. Lassen sie es mich drastisch sagen: Heute würde Julia ihrem Romeo erklären, daß sie nur noch schnell die Pille nehmen wolle und dann zu ihm komme.
H.G.: Aber ist die Pille, etwa im Hinblick auf die Dritte Welt, auf die unterentwickelten Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika, im Hinblick auf das Damoklesschwert einer Überbevölkerung nicht ein Fortschritt?
Max Horkheimer: Das leugne ich nicht. Ich halte es jedoch für meine Pflicht, den Menschen klarzumachen, daß wir für diesen Fortschritt einen Preis bezahlen müssen und dieser Preis ist die Beschleunigung des Verlustes der Sehnsucht, letztlich der Tod der Liebe.„
[Zitat Ende]
Bildnachweise: Paar_Bett (https://unsplash.com/photos/CP-0Wi0p-Pw); Paar_Pfütze (https://unsplash.com/photos/6GQ7V2l5iPA?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink)
Ela
Krass !!! Wie wahr !!!