Wir gehen gemeinsam essen – Handy raus, FoodPic.
Wir unterhalten uns gerade gut – schnell nebenbei Instagramm checken.
Abschalten, noch auf der Couch abhäng – Youtube, hat jemand meine Clips angeklickt?
Spiele gerade mit den Kids Playmobil – Foto posten.
Am Ende des Tages – hat mich jemand geliket…?
Alles Situationen in denen Ich Zeit mit meinen Freunden verbringen könnte.
Echte, real-life Kontakte. Aber irgendwie ist Aufmerksamkeit
– meine für andere und die der anderen für mich –
fast schon unbezahlbar geworden.
Seit der Aufmerksamkeits-Branchenprimus Smartphone
den Martk betreten hat, herrscht eine rasante Inflation.
Das sagt die Börse über unsere Aufmerksamkeitsaktien:
Der Kampf um Aufmerksamkeit besteht darin, sich Selbst „zum öffentlichen Gegenstand zu machen,
auf sich aufmerksam zu machen, sich zu zeigen und damit das Gefühl zu schaffen,
existent zu sein – woran sonst offensichtlich Zweifel zu bestehen scheinen.“
(Schroer, 2006, S. 57)
„Wer bin ich?“ war gestern
Heute wird gefragt: „wie kann ich mich so darstellen,
dass Notiz von mir genommen wird?“ (ebd.)
„Dass es allein um einen Kampf um Aufmerksamkeit gehen könnte,
wobei Aufmerksamkeit nicht das Mittel ist, um etwas anderes zu erreichen,
sondern selbst schon als Ziel angesehen werden muss,“ liegt zwar außerhalb der Logik
aber feststeht, dass das „was unsichtbar bleibt, dass derjenige,
der nicht öffentlich über sich erzählen kann,
der Bedeutungslosigkeit ausgeliefert ist.“ (ebd., S. 65f.)
Investieren! Investieren! Investieren?
Im Kampf um soziale Relevanz
– ‚erst wenn ich wahrgenommen werde, existiere ich‘ –
„haben wir es mit einem verstärkten Kampf um Aufmerksamkeit zu tun,
der angesichts der Knappheit der Ressource Aufmerksamkeit zu immer
pointierter ausfallenden Selbstthematisierungen führt, damit sie
– angesichts der überwältigenden Flut von konkurrierenden Selbstthematisierungen –
überhaupt wahrgenommen“ (ebd., S. 66) und nicht ignoriert werden.
Mit anderen Worten:
Ich muss mir was einfallen lassen um
gesehen, angeklickt, geliket, abonniert, gefollowet
zu werden und damit, laut Zitat, existent zu sein…
…waghalsige Aktionen
…intime Geheimnisse,
…Babyfotos,
…Beziehungsstorys,
…niedliche Fischotter,
…möglichst immer online
…und möglichst wenig Kleidung!
Im Kampf um Aufmerksamkeit scheint Scham nur hinderlich.
Börsen-Hinweis
Wer bewusst seine Aufmerksamkeit verschenkt,
bekommt unbezahlbar viele Zinsen.
Dabei ist zu beachten: Insta und Co.
beeinflussen die Inflation am gravierendsten.
PS.: Einer sieht dich immer.
Photo by ROBIN WORRALL on Unsplash
Photo by Priscilla Du Preez on Unsplash
Photo by Fahad Waseem on Unsplash
+ Markus Schroer, Selbstthematisierung. Von der (Er-)Findung des Selbst und
der Suche nach Aufmerksamkeit, S. 41-72
in Günter Burkart, Die Ausweitung der Bekenntniskultur –
neue Formen der Selbstthematisierung, VS Verlag für Sozialwissenschaften,
1. Auflage, 2006
Schreibe einen Kommentar