Mal wieder ein Zitat des Tages: Heute aus Dr. Med. Ingrid Olbricht’s Buch „Was Frauen krank macht“ (1996):
„Schwangerschaft ist immer auch ein Erleben von Grenzen, das von Naturgesetzen gesteuert und primär nicht manipulierbar, sondern nur störbar ist. Schwangerschaft als spezifisch weibliche Erfahrung schließt das unmittelbare Erleben von Naturgesetzen ein, das Akzeptieren des Zeitfaktors etwa, das Erleben der nötigen Geduld, die Erfahrung des Werdens unabhängig vom Tun, das Erleben der Störbarkeit und der Verletzbarkeit alles Wachsenden. […]
Frauen werden durch Schwangerschaft und Geburt immer wieder mit Erfahrungen konfrontiert, die den Werten unserer Kultur, die einseitig den linearen Fortschritt ohne Grenzen aufwertet, entgegengesetzt sind, und dadurch ergeben sich weitere Konflikte. […]
Frauen erfahren in der Schwangerschaft bereichernde Werte, die heute jedoch nicht mehr als Werte gelten. Das Beachten und Annehmen von Grenzen ist natürlich, der Natur entsprechend, sie respektierend. Alles Grenzenlose ist unnatürlich und damit naturfeindlich, aber es dient den Größenvorstellungen des Machbarkeitswahns, dem unbegrenzten Produktionstrieb und damit der Angstabwehr, daß es etwas gibt, das stärker ist. Grenzen machen Angst, weil sie mit der Endlichkeit konfrontieren.
Zudem wird der ursprünglich auf das Lebendige bezogene Wachstumsbegriff, mit dem ja gerade die Schwangere konforntiert wird, abgespalten, der Begriff wird verfügbar, den Naturgesetzen entzogen und manipulierbar. Der Begriff des Wachstums wird in unserer Kultur auf Unlebendiges angewandt. Dasjenige Wachstum, das uneingechränkt und grenzenlos gefördert wird, ist das Wachstum des Wohlstandes, des Bruttosozialprodukts, das Wirtschaftswachstum. Vergleichbar grenzenlos ist – war? – das Rüstungswachstum bis zum vielfachen Vernichtungspotential des vorhandenen Lebens. Die Angst vor Grenzen führt in dieser Haltung in die Einbahnstraße, sie führt zur ‚Endlosschwangerschaft‘ – wir können nur ahnen, welches Monster da grenzenlos heranwächst. Eine der grundlegenden, prägenden und möglicherweiße korrigierenden Erfahrungen der Menschheit spielt in unserer Kultur offenbar keine Rolle mehr, sie ist nicht mehr wertvoll.“
(Dr. med. Ingrid Olbricht; Was Frauen krank macht. Der Einfluss der Seele auf die Gesundheit der Frau. Kösel, München 1996; S. 171f.)
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