Warum reden wir eigentlich immer von „Personen“. Woher kommt der Personenbegriff und warum hat er eigentlich was mit meiner Natur zu tun? Wir haben uns Rober Speamann’s Buch1 mal zur Hand genommen, philosophieren ein bisschen und suchen antworten auf diese Fragen. Vorhang auf.
Vorüberlegungen
Den Personenbegriff wenden wir niemals auf ganze Gruppen oder Klassen, sondern immer einzelne Individuuen, an und verleihen ihnen damit gleichzeitig den Status der „Unantastbarkeit“.2
„Wer hingegen Menschen nicht als Personen respektieren möchte, der spricht ihnen entweder den Titel der Person ab, oder er hält den Personenbegriff überhaupt für gegenstandslos und für ungeeignet, irgend etwas zu charakterisieren. Die Verwendung des Begriffs ‚Person‘ ist gleichbedeutend mit einem Akt der Anerkennung bestimmter Verpflichtungen gegen denjenigen, den man so bezeichnet.“3
Woher kommt der „Personenbegriff“ eigentlich?
Wir haben hier schon viele Person-alien aufgenommen und warnen euch schon mal vor, dass es wieder etwas philosophisch werden könnte.
Der lateinische Begriff „persona“ nimmt für unsere Überlegungen eine Schlüsselfunktion ein. Er, ebenso wie der analoge griechische Begriff „prosopon“, gehört eigentlich in die Welt des Theaters. „Persona“ meint die Rolle, „im Unterschied zu dem, der sie spielt. Es ist also genau derjenige Begriff, der heute noch auf unseren Theaterzetteln“, oder in unseren heiß geliebten bzw. zutiefst verhassten ‚Hamburger Leseheften‘ „Verwendung findet.“ 4
„Zunächst war ‚persona‘ einfach die Maske, durch die hindurch der Schauspieler tönt; später bedeutet ‚persona‘ dann auch im übertragenen Sinn die Rolle in der Gesellschaft, den gesellschaftlichen Status. Hier finden wir bereits ein Strukturelement unseres heutigen Personenbegriffs, das Moment der Nichtidentität. Der Schauspieler ist Darsteller, er ist nicht das, was er darstellt. Im Unterschied zu unserem Sprachgebrauch war aber ‚Person‘ zunächst eben nicht das, was hinter der Rolle liegt und das Spiel ermöglicht, sondern die Rolle selbst. Was hinter ihr liegt, heißt ‚Natur‘. Die Antike kennt keinen Rückgang des Menschen hinter seine Natur. Natur ist ein Letztes, im faktischen und im normativen Sinn.“5 Bei der Natur ist Schluss mit lustig. Stimmt’s Luisa und Greta? Mehr ablegen kann man nicht. Irgendwann ist man nun mal, auch im übertragenen Sinne, nackt.
…liegt in meiner Natur?
Warum wir nur für Individuen, also einen einzelnen Menschen, den Personenbegriff gebrauchen? „Deshalb weil, weil die Individuen mit solcher Natur zu ihrer Natur in einem anderen Verhältnis stehen als anderen Individuen. Sie sind nicht bloß ‚Fälle von…‘.“6
Oder auf deutsch: Den einen stört ein tropfender Wasserhahn, den anderen nicht. Der eine Mensch knallt seinem Kollegen gleich eine, wenn ‚der nur noch einmal mit diesem s#§$%? blöden Kugelschreiber klickt!!!‚ Und wieder ein anderer versteht diese ganze Aufregung nicht. Beide sind Menschen. Haben alle eine menschliche Natur, aber verhalten sich völlig anders ihr gegenüber. Sie verhalten sich eben individuell.
Der Ursprung der Natur sind nicht wir selbst. #Befruchtung. Wir haben uns nicht selbst ins Leben geworfen oder gerufen. Das gilt für jede Natur, auch die der Tiere. Soll heißen, dass spezifische Reaktionen „eines Wesens auf äußere Einwirkungen von vornherein festgelegt“7 sind. Beispiele: Haut juckt, ich kratze. Faust kommt, ich wehre ab und verteidige. Nachts Licht an, ich blinzel.
Das haben wir uns nicht vorher logisch durchdacht. Das liegt in unserer menschlichen Natur. Aber:
„Im Begriff der Person wird ein noch ursprünglicheres eigenes Ursprungsein des einzelnen Individuums gedacht. Nicht, als ob solche Individuen keine Natur hätten und erst selbst frei darüber entscheiden müssten, was sie sind. Aber sie können sich zu dieser ihrer Natur noch einmal verhalten.“8 Ich habe schon, anders als Tiere, die Möglichkeit zu überlegen (das meint u.a. das „sich zur Natur verhalten“) ob ich meinem Gegenüber physisch oder nur verbal eine reinhaue. Bei den meisten müsste das zumindest so funktionieren.
Individuen „können sich deren Wesensgesetze [gem. die der Natur] in Freiheit zu eigen machen oder gegen sie verstoßen und ‚aus der Art schlagen‘. Als denkende Wesen sind sie deshalb nicht nur benennbar als Zugehörige zu ihrer Art, sondern als Individuen, die ‚in einer solchen Natur existieren‘. Das heißt: Sie existieren als Personen.“9 Und das tun sie so von Anfang an.
Letzter Gedanke: Wenn etwas in meiner Natur liegt, sage ich damit gleichzeitig, dass ich eine Natur habe. Ich besitze sie also. Etwas besitzen kann nur ein Jemand, also eine Person. Jeder Mensch hat von Beginn an eine Natur. Und wenn wir sagen „hat„, dann ist er eine Person. Von Anfang an. Think about it.
Wir werden einfach nicht müde euch diesen Vortrag zu empfehlen 😉 :
Quellen zuletzt aufgerufen am 29.11.2022
1: Spaemann Robert; Personen – Versuche über den Unterschied zwischen “etwas” und “jemand”; 2019; Klett Cotta Verlag;
2: ebd.; S. 28
3: ebd.
4: ebd.; S. 34
5: ebd.
6: ebd.; S.46
7: ebd.; S. 47
8: ebd.
9: ebd.
Bilder: Titelbild; Wasserhahn; Buch_lesen
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