„Wir können ein Baby zeugen, indem wir eine ihrer Eizellen nehmen und eine Stammzelle aus Ihrer Haut. Damit sind Männer bei der Zeugung inzwischen überflüssig.“
„Oh, das ist ja fantastisch. Danke, klasse!“
„Es sei denn, es soll unbedingt ein Junge sein. In dem Fall, brauchen wir ein Y-Chromosom.“
Inhalt
Der Film spielt in der nahen Zukunft, in der künstliche Intelligenz allgegenwärtig und die Natur nur noch eine Randerscheinung ist. Unter diesen Gegebenheiten wollen Rachel (Emilia Clarke) und Alvy (Chiwetel Ejiofor) eine Familie gründen. Dank Rachels produktiven Leistungen bei Ihrer Arbeit, wird ihr durch diese die Gelegenheit geboten eine Kind mit Hilfe des „Womb Centers“ nicht nur künstlich zu zeugen, sondern auch mit Hilfe einer abnehmbaren künstlichen Gebärmütter (sog. Pods) auszutragen und zur Welt zu bringen. Alvy hat aber als erdverbundener Bothaniker da so seine Zweifel. Er würde eine natürliche Schwangerschaft bevorzugen. Aber aus Liebe zu Rachel willigt er ein und für beide beginnt eine erstaunliche Reise durch alle gesellschaftlichen Meinungen und Erwartungen bezüglich Zeugung, Schwangerschaft und Geburt hin zu ihrem wahren Mutter- und Vater-Sein. Ein sehenswerter und sehr zu empfehlender Film.
Achtung Spoiler Alert!
Ich habe mir den Film angeschaut und mir ein paar Gedanken dazu gemacht, hab versucht die eine oder andere Stelle zu interpretieren. Also Vorischt, wer den Film erst einmal selber anschauen möchte, der sollte hier nicht unbedingt weiterlesen. (Alle folgenden Zitate, sofern nicht per Fussnote anders angegeben, entstammen dem Film „Baby to go“)
Im Film bekommt Rachel von ihrer Chefin gesagt, dass sie nur „die klügsten und besten Frauen an uns binden“ wollen. Und es scheint so, als könnten und dürften nur die privilegierteren Frauen ein Kind im „Womb Center“ bekommen. „Bestimmt leisten sie wertvolle Arbeit“ wird Rachel über Ihren Platz im Center bewundert. Später im Film, Rachel ist mit der künstlichen Gebärmutter „schwanger“, bringt sie den Pod mit auf Arbeit und wird prompt ermahnt: Man sehe es nicht so gern, wenn der Pod mitgebracht würde und er wird kurzerhand in einen Schrank verfrachtet. Die Frau darf dann wieder zurück in ihr Hamsterrad, ach ähm Laufband meinte ich natürlich, produktiv an ihrem Arbeitsplatz funktionieren. Denn Vorsicht, auch der Arbeitsplatz-überwachende Algorhytmus sagte es gebe eine Senkung der Produktivität während er Schwangerschaft!
„Die Gebärmutter ist ein politisches Thema“ sagt eine Freundin des Paares, denn „keine Frau ist wirklich frei, so lange sie nicht die Kontrolle über ihr eigenes Fortpflanzungssystem hat!“, so die Chefin des „Womb Centers“. Hach, was wäre Shulamit Firestone nicht stolz auf solche Sätze gewesen. Firestone Exkurs: „Deswegen brauchen wir eine Revolution, die von der ausgebeuteten Klasse (den Frauen) getragen wird: denn genauso wie die vorübergehende Diktatur des Proletariats, die Inbesitznahme der Produktionsmittel, die Abschaffung der ökonomischen Klassen sichert, wird die Inbesitznahme der Kontrolle der Reproduktion durch die Frauen, die Vernichtung der geschlechtsspezifischen Klassengesellschaft gewährleisten. Frauen müssen nicht nur wieder in den Besitz der uneingeschränkten Eigentumsrechte über den eigenen Körper gelangen, sondern auch vorübergehend die Kontrolle über die Fruchtbarkeit des Menschen übernehmen,[…]“1
Es bestehen auch Zweifel an dieser modernen Art der Fortplanzung. So wird z.B. gefragt ob „nicht die Gefahr, dass wir überflüssig werden“, bestünde, woraufhin geantwortet wird: „Durch Fortschritt ist noch niemand überflüssig geworden. Er bringt uns weiter.“ Niemand, dass sind in dem Fall die Männer: „Wir können ein Baby zeugen, indem wir eine ihrer Eizellen nehmen und eine Stammzelle aus Ihrer Haut. Damit sind Männer bei der Zeugung inzwischen überflüssig.“ „Oh, das ist ja fantastisch. Danke, klasse!“ „Es sei denn, es soll unbedingt ein Junge sein. In dem Fall, brauchen wir ein Y-Chromosom.“ Männer und ihre Spermien kommen in den Augen des „Womb Centers“, und angesichts künstlicher Befruchtungsmöglichkeiten, sowieso schwach, langsam und schlecht weg. Wer braucht sie eigentlich noch?
Und doch, das erzählt der Film auf sehr einfühlsame, wunderbare Weise, und Chiwetel Ejiofor spielt Alvy sehr sehenswert, braucht Rachel ihren Mann: Er trägt z.b. im Prinzip das Kind (aus), obwohl er es anfänglich so nicht wollte, und hilft ihr damit, über die Dauer des Films aus dem Arbeitshamsterrad (sehr schön mit dem Laufband verbildlicht) heraus. Er hilft ihr, sie beide sich eigentlich gegenseitig, in die Annahme ihres Mutter- und Vater-Seins. Außerdem, so schillert es in den Zwischentönen, braucht es die Männer um Kind und Mutter im Prozess vor allen irritierenden, Zweifel säenden Vorschlägen, Forderungen, Verunsicherung und Erwartungen zu schützen. Rachel ist da sehr anfällig für „was das Womb Center sagt“: „Wir rufen da jetzt an!“ Und er: „Nein!“ Er führt sie wieder zur Natur. Zu ihrem Frau- und Muttersein. Zu sich selbst. Starke Dramaturgie.
Nebenbei fragte ich mich, warum der Ty eigentlich Botaniker sein muss? Warum spielt gerade der Mann den Naturverbundenen und die Frau den rationalen, kühlen, sehr produktiven Hauptverdiener Part? Damit wirkt der Film fast schon metaphorisch, kitschig überladen. Der Mann sät den Samen. Kümmert sich um seine zarten Pflänzchen. Versorgt sie und freut sich an den natürlich, selbstverständlich ablaufenden Prozessen.
Der Film thematisert auch die männliche Sehnsucht selbst ‚Schwanger werden und austragen zu dürfen‘. Das ungeborene Kind, wenn schon nicht in sich, will Alvy es doch ganz nah an sich tragen können. Vertauschte Erfahrungswelten. Der Mann trägt das Kind an sich. Sie hingegen ist rationaler, distanzierter. Hadert mit ihrer Schwanger- und Mutterschaft. Ist skeptisch gegenüber Bindung. Die Frau fühlt sich mit einer Bindungsorientierten Erziehung von „1974“, entgegen dem wohlfühlen ihres Mannes, unwohl. Sie bevorzugt, die vom Womb Center empfohlene bindungslose Variante. Somit wird die Frau schon vor der Geburt von ihrem Kind entbunden. Es kommt eigentlich gar nie zu einer richtigen Ver-Bindung. Der Mann hingegen ist fähig und willens durch Zeitverbringen mit Hilfe der künstlichen Gebärmutter eine Bindung zum Kind aufzubauen. Der künstlich intelligente Seelenklempner von Rachel hingegen hält Bindung für überholt, und die Mutter des Kindes folgt diesem Rat.
Eine sehr lustige Szene ist die, vor dem Womb Center und gegen den GebärPod demonstrierenden, Feministinnen: „Keine Pods, wir gebären selbst!“
Als Rachel und Alvy gegen Ende des Film sich für eine Hausgeburt entscheiden, zischt die Chefin des Centers sie an: „Das Baby gehört Ihnen, aber der Pod ist Eigentum des Womb Centers! Ihr Baby wächst in einer Gebärmutter heran, die Ihnen gar nicht gehört. Und auch nicht Ihrer Frau.“ Damit wäre die Frau von ihrer Biologie befreit. Danke Shulamit. Aber in die neue Knechtschaft des Marktes gezwängt. Ironischerweise wurde ihr durch die freiwillige Ab- und Aufgabe ihrer Gebärmutter die Freiheit über ihre Fortpflanzung genommen. Eigentlich wurde ihr die Würde genommen.
Kurz vor der erkämpften Hausgeburt, bei der Rachel und Alvy raus in die Natur fahren (wenn schon nicht natürlich dann wenigsten in der Natur), beschleichen Rachel wieder Zweifel und Alvy erfüllt wieder die Rolle des unterstützenden Vaters: „Wir brauchen jetzt Vertrauen.“ Ja, das brauchen wir. Vertrauen darauf, dass es so wie es immer war und auch diesmal wird, gut wird. Gut ist. Schließlich waren die Eltern neun Monate lang guter Hoffnung. Die Geburt mündet dann unweigerlich in einen, für den ganzen Prozess der künstlichen Befruchtung und des „Womb Centers“ stehenden, gewaltvollen Akt des Herausbrechens des Kindes aus dem Pod mit Hammer und Schraubendreher.
Am Ende streichelt sie zufrieden und glücklich ihr Baby. Sie hat über die Dauer des Films, mit Hilfe ihres Mannes endlich ein Kind. Und was vielleicht noch viel wichtiger ist, sie hat die umklammernde Arbeit, die Vorschriften des „Womb Centers“ und ihre eigene daraus resultierende Ablehnung gegenüber dem Mutter-Sein ähnlich wie den Pod aufgebrochen und ist endlich, dass was sie seit der Zeugung schon war: Mutter. Wie bei einer richtigen Schwangerschaft eben.
Quellen: Titelbild: https://unsplash.com/de/fotos/weisses-druckerpapier-mit-schwarzen-texten-q8P8YoR6erg?utm_content=creditShareLink&utm_medium=referral&utm_source=unsplash
1 Shulamit Firestone, Frauenbefreiung und sexuelle Revolution, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, 1975, S. 17f. (in Englishen Originial: https://teoriaevolutiva.files.wordpress.com/2013/10/firestone-shulamith-dialectic-sex-case-feminist-revolution.pdf, S.10.): „[…] also über die neue Bevölkerungsbiologie wie auch über alle sozialen Institutionen, die mit Geburt und Erziehung der Kinder zu tun haben. Und genau wie am Ende einer sozialistischen Revolution nicht nur die Aufhebung der Klassenunterschiede selbst steht, so muß die feministische Revolution, im Gegensatz zur ersten feministischen Bewegung, nicht einfach auf die Beseitigung männlicher Privilegien, sondern auf die Geschlechtsunterschiede selbst zielen: genitale Unterschiede zwischen den Geschlechtern hätten dann keine gesellschaftliche Bedeutung mehr. (Das bedeutet die Rückkehr zu einer ungehinderten Pansexualität – Freuds ‚polymorphe Perverseion‘, – und würde dann wahrscheinlich die Hetero-Homo-Bisexualität ersetzen.) Die Reproduktion der Art allein durch ein Geschlecht zugunsten beider Geschlechter würde durch künstliche Fortplanzung ersetzt werden (oder zumindest eine freie Entscheidung für oder gegen diese Möglichkeit erlauben): Kinder würden gleichermaßen für beide Geschlechter geboren werden, oder unabhängig von beiden, wie immer man es sehen möchte; die Abhängigkeit des Kindes von der Mutter (und umgekehrt) würde einer wesentlich verkürzten Abhängigkeit von einer kleineren Gruppe ganz allgemein weichen, und jede noch bestehende Ungleichheit gegenüber Erwachsenen in bezug auf physische Stärke würde gesellschaftlich ausgeglichen werden. Die Arbeitsteilung hätte ein Ende durch die Abschaffung von Arbeit überhaupt (durch die Kybernetik). Die Tyrannei der biologischen Familie wäre zerschlagen. Und mit ihr die Psychologie der Macht: Genau wie Engels es für eine konsequente sozialistische Revolution gefordert hatte: ‚… das Bestehen nicht bloß dieser oder jener bestimmten herrschenden Klassen, sondern einer herrschenden Klasse überhaupt, also des Klassenunterschieds selbst, wird zum hoffnunglosen Anachronismus.’“.
„Am Ende streichelt sie zufrieden und glücklich ihr Baby. Sie hat über die Dauer des Films, mit Hilfe ihres Mannes endlich ein Kind. Und was vielleicht noch viel wichtiger ist, sie hat die umklammernde Arbeit, die Vorschriften des „Womb Centers“ und ihre eigene daraus resultierende Ablehnung gegenüber dem Mutter-Sein ähnlich wie den Pod aufgebrochen und ist endlich, dass was sie seit der Zeugung schon war: Mutter. Wie bei einer richtigen Schwangerschaft eben.“
Das wiederum vermittelt, dass sie Mutter sein kann, obwohl das Baby nicht in ihrer Gebärmutter herangewachsen ist.
Das funktioniert so nicht.
Hier wird eine Zukunft gedanklich vorbereitet an der schon lange geforscht wird:
https://www.nzz.ch/folio/die-kuenstliche-gebaermutter-soll-fruehgeborene-retten-sie-koennte-veraendern-wie-wir-auf-die-welt-kommen-ld.1734460
Zunächst erst einmal werden, wie immer, medizinische Notfälle herangezogen um zu begründen.
Dann aber kommen die gesellschaftlichen Folgen:
Warum sollte eine Frau Schwangerschaftsstreifen, gedehnte Haut, zerfledderte Vagina und was es sonst noch für Verletzungen
gibt in Kauf nehmen? Warum sollte sie ihre Karriere aufgeben?
Von so einer „Mutter“ möchte ich nicht mal träumen. Schrecklich!