Anknüpfend an das ‚Zitat des Valentinstags‚, wollen wir heute noch ein paar Liebesperlen nachgießen. Wir wollen noch ein bisschen über die Liebe philosophieren. Also, hoch die Gläser, jetzt wird nachgeschenkt:
„Wir alle leben in einem unerstättlichen Hunger nach Bestätigungen, leiden, wenn sie ausbleiben. ‚Ich habe dir doch schon gesagt, daß ich dich liebe‘ – ein solcher Satz, mürrisch gesagt, streicht seinen Inhalt durch: Jede Beziehung bedarf der immer neuen Liebe, muß immer neu das Selbstbewußtsein im Spiegel wecken. ‚Am Du gewinnt sich das Ich‘, so Martin Buber.“1
Zwei Punkte sind uns bei diesem Zitat von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz besonders wichtig.
Erstens: „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dich liebe.“ Gerl-Falkovitz sagte, dass ein solcher Satz, mürrisch gesagt, seinen Inhalt streichen würde. Welchen Inhalt? „Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dich liebe.„ Krass, oder?
Liebe lebt nicht von Lippenbekenntnissen. Auch nicht, wenn sie in Form von Küssen daherkommen.
Das führt uns zu Punkt Zwei: „…muß immer neu das Selbstbewußtsein im Spiegel wecken.“ Was der gedrechselte Satz nun soll? Er zeigt das was schon bei Bernhard Lasshan im ‚Zitat des Valentinstags‚ durchschimmerte. Liebe ist niemals gleich gültig. Dieser Satz zeigt, dass es einen einzelnen Menschen und damit ein „Ich“ gibt.
Dieses „Ich“, dieses einzigartige Individuum, spricht zu einem „Du“. „Du“ meint ebenso einen einzigartigen Menschen. Sonst würde das „Ich“ ja ein „Euch“ ansprechen und lieben.
Das ist vielleicht ein bisschen philosophisch verquirlt, aber versteht ihr worauf wir hinaus wollen? In dem Satz „Ich liebe dich“ ist das „Ich“ der Spiegel, in dem sich das „Du“ sieht, entdeckt, reflektiert, seine Liebe erwidert bekommt und in seiner Einzigartigkeit als Lieblingsmensch wahrgenommen wird. Und dadurch wächst plötzlich das Selbstbewusstsein. „Er/Sie meint Mich!?“ Ihr solltet mal sehen wie sehr Menschen plötzlich aufblühen, die wissen, dass sie geliebt werden.2
Wie Buber es sagte: „Der Mensch wird am Du zum Ich.„3 Wir brauchen dieses „Du“. Brauchen ein Gegenüber, einen Spiegel. Aber vorsicht, dieser besondere Spiegel ist niemals stumm. Egal ob man hinein, hin oder weg sieht. Er spiegelt immer durch Kommunikation. Und spätestens seit Paul Watzlawick wissen wir, dass man nicht nicht kommunizieren kann.4
Jetzt die Frage an dich: Hast du heute ’schon‘ deinem Geliebten, deiner Geliebten gesagt, dass du ihn/sie liebst? Wie du diesen Satz liest und betonst, ob und welchen Inhalt du durchstreichst, liegt bei dir.
P.S. Ich liebe dich (auch)
Buber sagte übrigens auch: „Liebe ist Verantwortung eines Ich für ein Du.“5 Dazu wollen wir den bereits zitierten Herrn Lasshahn nochmals bemühen: „Wenn jemand Verantwortung für einen anderen übernimmt, ist er übergeordnet. Andererseits ist jemand, der Schutz für sich in Anspruch nimmt, nicht gleichgestellt. Er ordnet sich unter. Wer soll in einer gleichgestellten Gesellschaft die Verantwortung übernehmen?“6
Jetzt sehen wir schon wie die Zornesröte in den feministischen Gesichtern aufsteigt. Wir sehen die anschwellende – „endlich sagts mal einer“ – Männerbrust. Aber bevor wir uns patriarchale Unterwerfungsfantasien vorwerfen lassen bzw. uns fest auf die Schultern klopfen lassen, erinnern wir vor unserer öffentlichen Hinrichtung bzw. Heiligsprechung noch schnell an das Wesen der Liebe: Wenn jemand einen Menschen liebt, dann stellt er ihn an die erste Stelle. Er ist jetzt der geliebte „Einzige“. Der liebende Mensch stellt sein Gegenüber höher als sich selbst. Wer wirklich liebt, der übernimmt Verantwortung in dem er den Anderen unterstützt, hilft, ihm dient. Auf den Punkt gebracht: Wer wirklich liebt, würde sein Leben für den geliebten Menschen lassen.
Unterwerfungsfantasie klingt anders, oder?
Ach, und auf „Ich liebe dich“ folgt meist ein „Ich liebe dich auch„. (Die Sache mit dem Spiegel, erinnert ihr euch?) Damit übernimmt das andere Ich die Verantwortung für das andere Du. Und damit drückt der soeben zu Ende gehende Beitrag auf seine Replaytaste…
Quellen, zuletzt aufgerufen am 14.02.2023:
1: Hanna-Barbara Gerl, Nach dem Jahrhundert der Wölfe – Werte im Aufbruch, 2. Auflage, 1993, Benziger Verlag AG Zürich, S. 144
2: Adrian, die von Rocky Balboa in den gleichnamigen Rocky-Filmen geliebt wird ist so ein Beispiel.
3: https://gutezitate.com/zitat/133773;
4: https://www.paulwatzlawick.de/axiome.html
5: https://beruhmte-zitate.de/zitate/126603-martin-buber-liebe-ist-verantwortung-eines-ich-fur-ein-du/
6: Bernhard Lassahn; Die Ehe stirbt an vergiftetem Obstsalat, und die Kinder bringt der Klapperstorch; Edition Sonderwege bei Manuscriptum; 2013; S. 36
Bildnachweise: Küssen: https://unsplash.com/photos/PQ4KXiYoEC4?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Titelbild: https://unsplash.com/photos/FHvpa4-Fpu8?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Brief schreiben: https://unsplash.com/photos/FHvpa4-Fpu8?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Herzen: https://unsplash.com/photos/P9oOLKNhIYU?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink
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