Die Krise als Chance

Die Hebamme Sarah Göbel hat auf dem Marsch für das Leben 2022 eine beeindruckende Rede gehalten. Die wollen wir euch nicht vorenthalten und haben sie für euch abgetippt. Viel Spaß damit:

Die Selbstbestimmung der Frau

„Die Selbstbestimmung der Frau, wenn wir sie wahren, und wenn die Frau wirklich die Unterstützung bekommt, die Zuneigung, die liebevolle Unterstützung, die sie braucht, [wird sich] in 99% […] für ihr Kind entscheiden. Wenn wir sie wirklich darin stärken.

Ich habe mir die Frage gestellt, als Hebamme, was Schwangere wirklich brauchen und was sie nicht brauchen. Und Schwangerschaft ist immer, egal ob es ein Wunschkind ist oder ein ungewolltes Kind, es ist immer ein Umbruch, es ist immer eine Umstellung in der Physiologie, im Körper und auch emotional. Und wenn die Frau darin feinfühlig und achtsam
begleitet wird, dann kann dieser Umbruch, manchmal ist es auch eine Krise, kann dazu führen führen, dass die Frau extrem gestärkt wird. Und viel stärker daraus hevor geht. Gerade auch bei einer ungewollten Schwangerschaft.“

„Frauen brauchen nicht jemanden, der ihnen sagt ‚du schaffst es nicht.‘ Frauen brauchen feinfühlige Begleitung. Sie brauchen Unterstützung, dass sie ihr Potential entfalten dürfen. Und das ist Selbstbestimmung. Wenn die Frau das sein darf, was sie wirklich ist.“

Die Verwandlung zur Königin

Sarah Göbel hat „z.B. eine Frau betreut, die wurde mit 15 von ihrer Mutter dazu genötigt abzutreiben. Sie wollte das Kind behalten, die Mutter hat sie dazu gedrängt abzutreiben. Sie hat gesagt sie kann das nicht, sie schafft das nicht, sie ist zu jung. Ich habe sie bei ihrem zweiten Kind betreut, in der zweiten Schwangerschaft. Und die Frau hatte das in sich getragen diese Wunde, dieses ‚ich bin zu schlecht‘, ‚ich bin zu klein um ein Kind zu bekommen.‘

Und durch die Geburt hindurch war das immer wieder ein Thema. Und die Geburt ging sehr lang, was oft bei Abtreibung der Fall ist, bei der ersten Geburt danach, sehr schwere, sehr lange Geburten. Und die Frau hat das immer wieder gesagt: ‚Ich schaff das nicht‘. Und ich habe ihr immer gesagt: ‚Das ist dein Potential, du wolltest dieses Kind. Du wolltest schon mit 15 dieses Kind. Und da wurde es dir ausgeredet. Aber du bist stark genug für dieses Kind. Du bist eine Mama.‘

Und wir haben sie da durch getragen durch die Geburt. Sie hat die Geburt super gemacht am Ende. Und diese Frau war nach der Geburt so transformiert. Es war so eine stolze Frau. Die hat sowas ausgestrahlt. Das hatte sie voher überhaupt nicht. Sie war vorher einfach unten und danach war sie wirklich wie eine Königin. Einfach wie so eine komplette Veränderung in ihr drin.“

Heilung durch Geburt

„Frauen brauchen Heilung. Sehr, sehr oft brauchen Frauen Heilung. Viele der Frauen, die vielleicht jetzt dahinten stehen und für die Selbstbestimmung, für die Abtreibung demonstrieren, sitzen vielleicht in zehn Jahren mit mir am Tisch und sagen: ‚Ja ich wurde auch zu einer Abtreibung gedrängt. Ja ich habe abgetrieben weil ich die Schwangerschaft nicht wollte.‘ Dann brauchen diese Frauen auch Heilung.

Eine Geburt z.B., eine Schwangerschaft, eine Geburt kann super heilend sein. Ich
habe eine Frau erlebt, die hat abgetrieben weil sie das Kind als… Sie wollte das Kind nicht, sie hatte das Gefühl das war ein Parasit in ihrem Körper. Und die Abtreibung war so traumatisch, dass sie bei der nächsten Schwangerschaft gesagt hat: ‚Das Gefühl schwanger zu sein ist für mich ganz schlimm. Aber das Gefühl abzutreiben war noch viel schlimmer.‘ Und diese Frau hat durch die Schwangerschaft extrem wieder eine Verwandlung erlebt in sich selbst. Ist total aufgeblüht, ist total weich geworden, ist mütterlich geworden. Und hat das so schön annehmen können und war so verändert danach, dass du einfach gesehen hast was Verletzung bewirkt, was eine Frau in eine Krise führt, eben so eine Abtreibung, und was sie auch wieder raus führen kann.

Und darin seh ich in Schwangerschaften und in der feinfühligen Begleitung ein ganz großes Potential. Und ich wünsche mir, dass das viel, viel mehr in den Fokus rückt, statt dass wir die Ärzte ausbilden, dass sie Abtreibungen durchführen, sollten wir die Leute ausbilden, dass sie die Frauen einfach sensibel begleiten wieder und liebevoll begleiten. Und dann haben wir das Problem gar nicht, dass wir zu wenig Abtreibungsärzte haben, weil dann wollen die Frauen keine Abtreibung mehr.“

Heilung nach Vergewaltigung

„Ich habe auch Frauen begleitet nach einer Vergewaltigung, die auch mit dem Thema gekämpft haben und auch über eine Abtreibung nachgedacht haben. Und bei ihnen habe ich fast die größte Veränderung erlebt. Ich hatte eine Frau, die hat eine Hausgeburt dann durchgeführt. Ihr erstes Kind. Ganz, ganz sensibel. Sie brauchte einen ganz geschütztes Umfeld bei Geburt. Keine Männer unter Geburt und keine Untersuchungen. Alles ganz in ihrem Rahmen, in ihrem Tempo. Und die hat ihr Kind da zu Welt gebracht, in ihre eigene Hand geboren. Und danach hat sie sich…Sie war, sie hat einfach angefangen zu weinen und gesagt, das war ihre Heilung. Es war eine körperliche Heilung. Es war eine emotionale Heilung. Und sie war danach auch wieder ein komplett anderer Mensch.“

Behindertes Kind als Chance

Und auch zum Thema ‚Trisomie 21‘.

Ich hatte vor drei Monaten jetzt gerade eine Geburt mit einem Down-Syndrom-Kind. Die Frau hatte eine komplett ultraschallfreie Schwangerschaft gehabt. Also keine Diagnostik vorher. Es war eine Überraschung. Und dieses entspannte Angehen an diese Situation, dass sie das Kind begrüßt hat, willkommen geheißen hat, ein Umfeld hatte, was das Kind begrüßt und willkommen geheißen hat, hat die Annahme, das kam so über Wochen ’na das Kind sieht so ein bisschen aus als hättes es Down-Syndrom“, Ok es hatte einen Herzfehler, es musste dann irgendwann opertiert werden, aber es war eine ganz entstpannte Angehensweise.

Und die Familie ist so schön zusammen gekommen und gewachsen durch dieses Kind. Das ganze Umfeld unterstützt sie. Es kann einfach, es kann eine Krise sein, aber es kann eine wunderbare Chance sein.

Und wenn wir das Denken in der Gesellschaft verändern, dass wir das nicht mehr als Krise sehen, sondern als Potential, als Potential für eine wunderbare Veränderung, in den Frauen, in uns als Gesellschaft, dann glaube ich verändert sich einfach das ganze Bild auf die ganze Geschichte Abtreibung. Und das wünsche ich mir.“

Was ist die Not der Frau?

Und auch an Alle hier wenn ihr mit Schwangeren in Kontakt tretet: Ich merke einfach wenn man so gegen das Thema geht und sagt: ‚Oh Abtreibung ist schlimm‘, das ist schlimm, aber wenn man stattdessen feinfühlig herausspürt, wo ist die Not der Frau.

Zum Beispiel ich hatte eine Frau, die war das dritte Kind der Mutter und sie hat gesagt: ‚Es wäre besser wenn meine Mutter mich abgetrieben hätte.‘ Sie hat ihre ersten zwei Kinder gut bekommen und das dritte Kind hat sie abgetrieben. Und sie
hat es mir danach erzählt: ‚Ich war das dritte Kinder der Mutter. Meine Mutter hätte mich lieber abtreiben sollen.‘

Also es ist oft eine ganze tiefe Verletzung, die dahinter steckt. Ein ganz tiefes Trauma. Und wenn man das nicht erkennt, dann kann es nicht geheilt werden. Aber wenn man es erkennt, dann kann so viel Heilung geschehen. Und, wie gesagt, dann brauchen wir keine Abtreibungsärzte mehr, dann sind die Menschen danach heiler, die aus diesen Schwangerschaften hervorgehen, die aus diesen Krisenschwangerschaften hervorgehen.

Und das, das ist Selbstbestimmung der Frau. Und das die Entfaltung der Frau.„

Quellen aufgerufen am 21.09.2022:
Sarah Göbel, 18. Marsch für das Leben, 17.09.2022, Berlin; https://youngandfree-kaleb.de/wp-content/uploads/2022/09/rede-sarah_goebel_marsch_fuer_das_leben_2022.pdf
Bilder: Titelbild von Despositphotos.com; Frau_Sonnenblume; Königin; Frauen_blumen; Frau_weißes_Kleid; Frau_blickt_hoch; Schlussbild