In der Diskussion um Abtreibung gibt es die „interessantesten“ Theorien.
Neuestes Beispiel der Gesetzesentwurf „Für das Leben“ von „die Linke“.
Andere gehen noch einen Schritt weiter und fordern „Abtreibung (auch) nach der Geburt“. Alberto Giubilini und Francesca Minerva argumentieren in ihrem Artikel „After-birth abortion: Why should the Baby live?„, dass Abtreibung „auch aus Gründen, die nichts mit der Gesundheit des Fötus zu tun haben, weitgehend akzeptiert“ sei.
Bspw. kann in Deutschland auch ein gesundes Baby bis zur 12. Woche (unter Berücksichtigung der §218ff StGB) abgetrieben werden.
Alberto Giubilini und Francesca Minerva sind der Meinung, dass eine Gesellschaft, die Abtreibung auch ohne Krankheit des Embryo erlaubt, damit zeigt, dass ungeborene Kinder nicht den gleichen moralischen Wert wie erwachsene Menschen haben. Erwachsene Menschen sind für die beiden Personen (mit Rechten). Personen sind ihrer Meinung nach, Menschen mit einem Selbstbewusstsein. Embryo’s und Neugeborene haben so ein Bewusstsein (noch) nicht. Damit sind sie (nur) potenzielle Personen. D.h. „aus denen kann mal was werden.“
Aber dadurch, dass sie es jetzt noch nicht sind, sind sie eben moralisch nicht so wertvoll. Aus diesem Prinzip heraus fordern Giubilini und Minerva „dass das, was wir ‚Abtreibung nach der Geburt‘ (Tötung eines Neugeborenen) nennen, in allen Fällen zulässig sein sollte.“ Denn wenn Abtreibung von gesunden Babys (bis zur 12. Woche) zulässig ist, warum sollte man dann diese willkürlich gesetzte Grenze nicht auch verschieben können. Denn sowohl auf den Embryo als auch auf das Neugeborne trifft zu, dass beide kein Selbstbewusstsein haben. Ohne Selbstbewusstsein sind sie keine Personen. Ohne Personenstatus haben sie keine Rechte. (Hier die PDF der zwei Philosophen)
(Die Bioethik lässt grüßen.)
Warum diese Diskussion?
Wir hatten hier schon einmal den Ursprung für diese Theorie, die Alberto Giubilini und Francesca Minerva vertreten, näher beleuchtet. Der Mensch wird in dieser Theorie erst „moralisch wertvoll“ – also zu einer Person mit Rechten – wenn er bestimmte Eigenschaften vorweisen kann. Nur Wesen, die tatsächlich über so etwas wie Selbstbewusstsein, also ein bewusstes Verhältnis zu sich selbst, verfügen, sind im heutigen Verständnis der Philosophie und Politik, schützenswerte und schutzbedürftige menschliche Wesen.
Das Dasein einer Person beginnt also nicht mit ihrer Existenz als lebendiger menschlicher Organismus, „sondern erst mit dem allmählichen Erwachen bestimmter Bewusstseinszustände.“ (Speamann, 2009, S. 40f.) Also nach und nach. So wie sich der Mensch eben entwickelt.
Und erst wenn diese Bewusstseinszustände erreicht sind, ist nach heutiger Auffassung Abtreibung moralisch verwerflich. Vorher nur unter Umständen.
„Nach der Geburt“ – schockierend?
Schockierend ist das nicht wirklich. Die Argumentation von Alberto Giubilini und Francesca Minerva ist sogar sehr konsequent. Wenn Abtreibung vor der Geburt ok ist, und das ist sie u.a. bei medizinischer Indikation (Behinderung des Kindes z.B.) in Deutschland. Warum sollte „Abtreibung nach der Geburt“ dann verboten sein? Zumal, rein biologisch betrachtet, die Schwangerschaft des Menchen sowieso 22 Monate dauern müsste. (Facts hier)
Warum sollte die Geburt also ein so großer Einschnitt sein, dass plötzlich aus einem „Es“ ein „Mensch“ wird, den man vor 5 Minuten noch hätte abtreiben dürfen? Auch Alberto Giubilini und Francesca Minerva glauben nicht an den magischen Geburtskanal.
Happy End?
„Abtreibung“ nach der Geburt fühlt sich trotz allem falsch an. Das Happy End und eine Lösung für diese Theorie finden wir hier:
Der Mensch gehört zur Gattung „Mensch“ von Anfang an. Wann dieser Anfang ist hatten wir uns hier schon mal gefragt. Und an dieser Stelle, zum Zeitpunkt der Befruchtung, wird aus jeder Samen- und Eizelle ein Mensch und gleichzeitig eine Person. Jede Grenzziehung, jeder Zeitpunkt der „Personwerdung“ nach der Befruchtung ist willkürlich, haltlos und immer weiter verschiebbar. Stück für Stück. Und jeder, der einen spätere Zeitpunkt vorschlägt, beansprucht im Grunde mehr zu wissen als er wissen kann.
Wir finden es sehr konsequent wie Alberto Giubilini, Francesca Minerva, Peter Singer und mit ihnen noch viele andere, argumentieren. Aber, und das ist hier das gefährliche, sie argumentieren konsequent falsch.
Hierzu noch das Zitat des Tages II und das Zitat des Tages III.
P.S.
Der Mensch entwickelt sich nicht zum sondern als Mensch.
Frau mit pinken Haaren
Mann mit Bild
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Mädchen: Photo by Colin on Unsplash
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