Die Ukraine wird aktuell zum Schauplatz für viele grausame Dinge,
die wir Menschen uns antun (können). Und das nicht nur auf militärischer Ebene.
…ein Geschäftsmodell…
In der COVID 19 Pandemie schockierte ein Video der Wunschbabyklinik BioTexCom die Welt.
Veröffentlicht am 30.04.2020, überschrieben mit „Leihmutterschaft: Babys warten auf ihre Eltern“, zeigte dieser Film dutzende Kinder, die bereits von ihren Leihmüttern geboren, auf ihre „Eltern“ warteten.
Die ukrainische Behörde schätzte, dass zu diesem Zeitpunkt „mehr als 1.000 Säuglinge aufgrund der Pandemie von ihren ausländischen Bestelleltern nicht abgeholt werden“1 konnten.
„Jährlich werden 2.000 bis 2.500 Kinder von ukrainischen Frauen gegen Bezahlung für Dritte ausgetragen, 90 Prozent sind von ausländischen Paaren bestellt. Mit mindestens 33 privaten und 5 staatlichen Leihmutterschaftskliniken ist die Ukraine eine beliebte und kostengünstige Destination des Reproduktionstourismus.“2
Die Leihmütter selber werden anders „als in den USA, wo Leihmütter umgerechnet rund 21.000 Euro für das Austragen eines Bestell-Kindes erhalten, [von BioTexCom] mit 8.000 Euro beziehungsweise 10.000 Euro (bei Zwillingen) [abgespeist]. Laut einem Mustervertrag, der [der Tagespost] vorliegt, unterwirft sich die Leihmutter dabei einem strengen Reglement. Demnach erklärt sich die Leihmutter nicht nur bereit, bis zu drei Embryotransfers über sich ergehen zu lassen, bei denen ihr jeweils bis zu drei im Labor erzeugte Embryonen eingesetzt werden können, sondern verpflichtet sich auch, auf Elternrechte zu verzichten und ‚keine Eltern-Kind-Beziehung‘ zu dem Bestell-Kind aufzubauen.“3
(Für alle, die mehr wissen wollen –> diese beide kurzen Doku’s:
Leihmutterschaft als Beruf – Das Geschäft mit den Babys in der Ukraine | ntv
Leihmütter in Corona-Zeiten – So läuft das Geschäft in der Ukraine)
…auch im Krieg…
Kurz vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, hat BioTexCom ein weiteres Video
– „Neugeborene Babys im Bunker (2022)“ – veröffentlicht. Hier führt eine Dame die Zuschauer durch den Luftschutzbunker und versichert den Kunden der Agentur, dass Leihmütter und Kinder in Sicherheit gebracht werden können.
Der englische the Guardien (10.03.2022) berichtete nun, nach Ausbruch des Krieges, dass bereits eine Leihmutter von ihrer Agentur angehalten wurde, ihr Kind abtreiben zu lassen. Ist das in Sicherheit bringen? Andere Frauen erleiden aufgrund der dramatischen Kriegssituation Fehlgeburten.4
„‚Wer sich in den zerbombten Häusern und Spitälern um die medizinische Versorgung dieser jungen Frauen kümmert, fragt niemand'“, sagt Suanne Kummer, Geschäftsführerin von IMABE. „De facto haben die Frauen keinen Anspruch auf Bezahlung oder Entschädigung. Diese erfolgt durch die Agenturen erst, wenn ein gesundes Baby abgeliefert wird, wie es der Vertrag vorsieht. Viele berichten, dass sie wie ‚Tiere‘ behandelt werden.“5
Birol Aydin — der ebenfalls eine Klinik für künstliche Befruchtung (IVMED) in Kiew leitet, hat in seinem Fall schon die Frage beantwortet, bei der wir dachten, dass Pro-Life daran scheitert. Er hat schon 17 Tiefkühltanks mit 12.000 gelagerten Embryonen und Eizellen aus dem Kriegsgebiet in die sicheren Nachbarländer transportiert.6
In der Ukraine werden gerade „Embryonen […] verfrachtet, Leihmütter sollen auch verfrachtet werden. Sie stehen vor einem schrecklichen Dilemma: Entweder ihre eigenen Familien, Partner und Kinder zurückzulassen, um vielleicht doch noch das fremde Kind zur Welt zu bringen und ihr Gehalt zu bekommen – oder im bombardierten Land zurückzubleiben“.7
…und bei den Kunden – Eltern
Leihmütter dürfen zwar die Ukraine mit minimalen Unterlagen verlassen. Jedoch hat diese Flucht erhebliche rechtliche Auswirkungen. Nach ukrainischem Recht gelten die Wunscheltern automatisch als die rechtlichen Eltern von Kindern, die durch Leihmutterschaft geboren wurden. Dieses Recht gilt aber nicht in Deutschland bzw. weiten Teilen Europas. In diesen Ländern brauchen „Eltern und Leihmütter […] Dokumente, die sie nicht vorlegen können, weil die Behörden geschlossen sind“ sagt Olga Danchenko, Anwältin für Leihmutterschaft, gegenüber the Guardian.8
„Die Eltern verstehen nicht, warum sie ihre Babys nicht ohne Dokumente nach Hause fliegen können. ‚Sie sind aggressiv‘, sagt Danchenko. ‚Sie schreien. Sie sagen: ‚Gebt mir mein Baby.‘ Ich frage sie nach ihren Dokumenten, aber das ist ihnen egal. Ich bin Anwalt. Was soll ich ohne Papiere machen? Das ist Menschenhandel.'“9
Leihmutterschaft ist…
…auch bei uns in Deutschland immer wieder im Gespräch.
Die Bundesregierung spricht z.B. von einer möglichen Legalisierung im Koalitionsvertrag.10
Aber „[d]ie Schattenseiten des Baby-Business sind durch den Krieg in der Ukraine auf tragische Weise nochmals sichtbar geworden […] Leihmutterschaft ist ein profitabler Geschäftszweig, der nach einem internationalen Verbot ruft. Wir erleben hier quasi eine neue Spielart von Leibeigenschaft. Leihmutterschaft verstößt eklatant gegen Menschen- und Kinderrechte, sie ist frauenverachtend und bedeutet Kinderhandel.“
Update: „die Zeit“ hat am 21.03.2022 eine Bildergalerie
aus dem Leihmutter-Bunker veröffentlicht –> hier.
Quellen (aufgerufen am 16.03.2022)
1: https://www.imabe.org/bioethikaktuell/einzelansicht/imabe-internationales-verbot-von-leihmutterschaft-ist-ein-gebot-der-stunde
2: https://www.imabe.org/bioethikaktuell/einzelansicht/ukrainische-leihmuetter-tragische-schicksale-zwischen-krieg-kunden-und-koerper
3: https://www.die-tagespost.de/politik/die-kinderhaendler-art-221592
4: https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2022/mar/10/will-the-babies-be-left-in-a-war-zone-the-terrified-ukrainian-surrogates-and-the-parents-waiting-for-their-children
5: siehe 2
6: https://www.tmz.com/2022/03/05/ukrainian-ivf-clinics-embryos-birol-aydin/
7: siehe 2
8: siehe 4
9: ebd.; Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
10: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf; S. 116
Sebastian Meichßner
Es ist ein moralisches und ethisches Disaster in das wir uns manövriert haben.
Und scheinbar gibt es keinen sicheren Ausweg.