Zugegeben, das Wortspiel mit „Scham“ und „Amore“ ist… Naja. Hättet ihr Schamör besser gefunden? Sollten wir uns jetzt dafür schämen? Eher nicht. Schämen werden sich in diesem Blog Männer und Frauen. Auf ihre ganz eigene, tiefe Weise.
(Wir werden hier „Er“, „Sie“, „Ihr“, „Seinen“, „Ihren“ usw. immer groß schreiben, um die Unterschiede besser zu verdeutlichen. Außerdem würden wir zum besseren (Vor-)Verständnis diese PDF bzw. diese Blog’s über Scham empfehlen.)
Vorbemerkungen: Männer und Frauen schämen sich unterschiedlich
„Männer und Frauen scheinen Scham in der Regel anders zu empfinden. Männer verlangen mehr nach dem Physischen, Körperlichen. Frauen empfinden ein größeres Verlangen nach der emotionalen, psychischen Erfahrung. Das macht Schamhaftigkeit für die Frau in Bezug auf ihren eigenen Körper schwieriger, weil sie nicht wirklich eine Notwendigkeit empfindet, ihren Körper als mögliches Gebrauchsobjekt zu schützen.“1
Verwirrend? Sie empfindet sich nicht als Gebrauchsobjekt, weil sie keins ist. Sie ist ein weiblicher Mensch. Sie muss sich erstmal nicht für Ihren Körper schämen. Sie schaut nicht an sich runter und denkt: „Boah geil, Titten! Gleich mal anfassen!“
Zu Ehrlich? Das denken aber manche Männer. Und fassen damit gedanklich, sprachlich oder mit den Augen etwas an, das Ihnen nicht gehört. Das Ihnen vielleicht auch nicht gehören soll. Hier tritt die Scham als verhüllender Schutz auf. Jetzt, da Sie es weiß, schämt Sie sich für Ihren Körper. „Für“ – als bewahrender Schutz. Sie schämt sich nicht „gegen“ ihren Körper.
Aber, eine Frau schämt sich im Grunde erst einmal nicht für Ihren Körper. Erst in der Beziehung zu anderen. Wenn Sie z.B. erfahren hat welche Gedanken durch den männlichen Kopf geistern (können). Schämen wird Sie sich erst, wenn Sie Angst haben muss als (Sein) Gebrauchsobjekt gesehen/genutzt zu werden. Denn Er sucht das Physische, das Körperliche. Sie eher das Innere.
Hat Er „die Frau“ richtig verstanden?
Beim Kennenlernen führt diese unterschiedliche Suche, das unterschiedliche Verlangen, manchmal zu (un)gewollten Signalen. Er reagiert viel mehr auf das körperliche:
„Heute, als wir uns trafen, trug sie diesen kurzen Rock und das enge Top mit dem Ausschnitt. Wow!“
Welche Signale empfängt Er? Welche sendet Sie?
Er kann die Augen kaum von ihr lassen. Ihr aber war es heute einfach zu heiß. Sie meinte in erster Linie gar nicht ihn. Er hat es aber so verstanden, dass sie sich ihm nähert, sich ihm öffnet, sich ihm freiwillig, körperlich zeigt. Sie hat scheinbar ihre Schamgrenzen überwunden und kommt auf ihn zu. Er versteht Ihr „sich zeigen“ aber vielleicht anders als sie es meint: „Es war heute einfach nur heiß.“ In dem Zusammenhang schämt Sie sich nicht.
Anders herum funktioniert das aber auch. Die Frau kann durch ihre aufreizende Kleidung bewusst dem Mann das (falsche) Signal senden: „Ich meine dich! Ich öffne mich dir!“ Verführung bzw. Affären, die von Frauen ausgehen, Sex Pic’s und Porno’s funktionieren so. Manche Frauen schämen sich selbst hier nicht. Er aber versteht das als eine freiwillige Überwindung ihrer Schamgrenzen. Sie „scheint“ willig. Sie signalisiert, dass Sie sich Ihm öffnet, auf ihn zugeht. Er könnte es sogar als Liebe verstehen. Denn „die holde Scham ist nur empfangen, daß sie in Liebe sterben soll.“2
Das Dilemma
Im gerade beschriebnen senden und (falsch/richtig) verstehen von weiblichen „Signalen gibt es ein Dilemma. Birigit Kelle, ganz Frau, beschreibt das so:
„Das Dilemma, dass Frau nicht immer das meint, was ihr Körper oder ihr Outfit sagen. Das Dilemma, dass Mann nicht immer das versteht, was Frau sagen will. Das Dilemma, das Frau zwar gern ihren Körper in Szene setzt, aber empärt ist, wenn der Falsche darauf reagiert. Das Dilemma, das Frauen zwar ernst genommen werden möchten, dass sie ihren Intellekt gewürdigt wissen wollen, aber sehr viele von uns selbst daran arbeiten, dass man vor allem unser Äußeres ausgiebig und explizit wahrnimmt. Das Dilemma, dass Mann in so einer Welt nie sicher sein kann, ob wir gerade unser Hirn oder unseren Hintern betonen wollen und wie wir was jetzt gerade meinen.“3
Hat Sie „den Mann“ richtig verstanden?
Für Sie wiederum sind es eher die inneren Werte. Eine Frau sprechen emotionale Reize viel stärker an. Wenn Er von seiner Kindheit erzählt, Ihr von seinen Ängsten und Träumen mitteilt, dann nimmt Er Sie mit in Seine (Innen)Welt. Teilt Er Ihr in Gedichten, Liedern oder sei es „nur“ durch einfache Worte Seine Gefühle und Gedanken mit, dann ist es bald um Sie geschehen. Jetzt hat Er sich Ihr geöffnet. Emotional. So versteht Sie es zumindest. Für Sie signalisiert das eine Überwindung Seiner Schamgrenzen. „Männer reden nicht viel“ – heißt es allgemeinen. Aber wenn Er es doch tut? „Mir, ja mir hat er sich mitgeteilt! Mit hat er sich geöffnet!“ So versteht Sie es…
Je intimer und innerlicher die Information ist, die er ihr mitteilt, desto größer ist sein Risiko. „Aber genau das ist es ja, was das Herz so erobert“, wenn Sie z.B. merkt, dass Er sich ihr völlig ausliefert, „dass ihr voll bewusst ist, dass er in diesem Moment extrem verwundbar ist, dass sie ihn unglaublich verletzen könnte und das zugleich“ Sie, „ihm dieses Risiko wert ist.“4
Wollte Er das? Bewusst oder Unbewusst? Wollte Er Seine (Innen)Welt für Sie öffnen oder wollte Er Sie hineinzerren? Wie die Frau mit ihrem Körper, kann der Mann mit Seinen Worten ehrlich sein oder spielen. Verführen oder Umwerben. Sich schenken oder Sie manipulieren.
Schämen wir uns jetzt?
Fühlen wir uns geliebt, lassen wir so manche Hüllen fallen. Ob nun innen oder außen. Unser Gegenüber versteht dieses fallen-lassen, die vermeintliche Schamüberwindung, das „sich-öffnen“, oft als liebende Zuwendung. Er versteht ihre körperliche Nähe als Ihren Ausdruck der Liebe und Sie Seine emotionalen Zärtlichkeiten. Das kann aber, wie wir gesehen haben, auch missverstanden werden. Scham schütz bis zur vollen Hingabe und löst sich dann auf, wenn die Liebe auf die Bühne tritt. Aber ist es die wahre oder sind wir am Ende Ware?
Die wichtigsten Fragen dabei sind:
ob wir die „Signale“ des anderen richtig verstehen,
ob es überhaupt welche sind und
ob wir uns „nur“ geliebt fühlen oder es tatsächlich sind.
Diese Fragen brauchen Zeit. Bis man sie im verliebten Kennenlernen überhaupt stellt und bis sie eine Antwort gefunden haben. Dabei hilft die Scham. Scham schützt die eigene Perle, damit sie nicht vor die Säue geworfen wird. Aber man sollte auch wissen welches Schamverständnis eine Frau bzw. ein Mann hat und was Er oder Sie überhaupt unter Perle versteht.
Noch etwas zum Nachdenken?5
Ohne Scham werden die Bereiche der Erotik kalt gestellt. Das Begehren flaut ab wenn das dargebotene Schamlos wird.
Eine Frau, die sich immer wieder nackt auszieht, interessiert irgendwann nicht mehr.
…
Die dunkle Scham verschwindet in der wirklichen Liebe, denn diese ist integrierend. Wahre Liebe meint und will das ganze Gegenüber. Nicht nur den Körper, den Geldbeutel oder Aufmerksamkeit.
…
Der Schamhafte ist der Wissende, der weis was ihm gehört. Er weiß wer er ist, wem er gehört und er weiß wem er etwas (von sich preis) gibt und wem er etwas nicht (von sich preis) gibt.
Quellen:
1: Elsbett, George; Leiblichkeit und Sexualität – Ein Blick in die Tiefe; 2014; S.149
2: Theodor Storm: Gedicht hier gefunden
3: Birgit Kelle, Dann mach die Bluse zu; Adeo Verlag; 2013; S. 21
4: siehe Fn. 1; S. 76
5: Vgl.: Worüber schämt sich die Scham? Interkulturelle und interreligiöse Einblicke. Vortrag von Hanna Barbara Gerl-Falkovitz
Bilder: Mann_und_Frau; Titelbild; Close_up_Frau; farbiges_Paar; Hochzeit; Frau_Dilemma
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