Auch pro familia hat auf „Einladung der Arbeitsgruppe 1 der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“1 ihre Stellungnahme abgegeben. Mit dieser wollen wir euch heute ein bisschen herausfordern.
Erst einmal ist es wie es ist. Pro familia will, dass der Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig anerkannt und zur Gesundheitsleistung wird. 2 Unter der Überschrift „Kriterien für eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“3 hinter Punkt sechs, verbirgt sich etwas erstaunliches.
„Die staatliche Verpflichtung zum Schutz pränatalen Lebens darf nur mit geeigneten Mitteln umgesetzt werden. Dazu gehören u. a. Maßnahmen gegen Armut und zur Stärkung von sozialer Gerechtigkeit, die Gleichstellung der Geschlechter, die Unterstützung vielfältiger Lebens‐ und Familienformen und der Rechte von Menschen mit Behinderung, die Prävention von und der Schutz vor (sexualisierter) Gewalt, sowie der selbstbestimmte Zugang zu Verhütung und Familienplanung sowie die rechtebasierte und sexualitätsfreundliche sexuelle Bildung.“4
Zugegeben: Erst einmal müssen wir den Genderwust5 beiseite schieben und deren IPPF genormte Definition von sexueller und reproduktiver Gesundheit und deren vermeintlichen Rechten6 überlesen, dann könnte man die Möglichkeit eines Konsens erkennen. Pro familia gibt hier zu bedenken, dass die wahren Gründe für einen Schwangerschaftskonflikt tiefer liegen als es ein gesetzliches Verbot überhaupt ermessen könnte. Und diese Punkte in Form von Armut und sozialer Gerechtigkeit sprechen sie hier an. Leise. Hinter vorgehaltener Zeitgeist-Hand. Aber sie tun es. Linder forderte in der Stellungnahme des Bundesverband Lebensrecht ebenfalls „ein kinder- und familienfreundliches Umfeld, in dem Lebensleistung nicht allein in Geldwert bemessen wird und Kinder kein Armutsrisiko sind.“7
Wer ist der Mensch vor der Geburt?
Ist das Spannungsfeld schon spürbar?
Vor ein paar Jahren hat uns der Beitrag von Enrique H. Prat sehr herausgefordert. Prat sucht nach einem Konsons, des scheinbar ewigen Hin u.nd Her’s von „Pro Life“ und „Pro Choice“. In Peter Singer Manier analysier er den vorherrschenden Diskurs und versucht einen möglichen Ausweg aus der Zwickmühle zu zeigen. Bevor jedoch vor allem wir Lebensrechtler bei den Gedanken, die Prat in „Abtreibungsdebatte: ein neuer Fokus“8 ausbreitet, Schnappatmung und allergische Reaktionen bekommen, sollten wir vielleicht bis zu Schluss anhören.
Wir sind sehr gespannt welche Meinung ihr dazu habt. Schreibt es uns gerne in die Kommentare. Wir freuen uns auf die Diskussion.
1 Pro Familia Bundesverband e.V., Im Oktober 2023, https://www.profamilia.de/fileadmin/profamilia/verband/Stellungnahme__Kommission_Neuregelung_pro_familia_2023-10-10.pdf, zuletzt aufgerufen am 25.10.2023.
2 Vgl. ebd., S. 4f.
3 Vgl. ebd., S. 5.
4 ebd.
5 Siehe https://youngandfree-kaleb.de/stichwort/also-sprach-judith-butler-geschlecht-fuer-alle-und-keinen/, zuletzt aufgerufen am 25.10.2023.
6 Siehe https://youngandfree-kaleb.de/stichwort/sexuelle-und-reproduktive-gesundheit-und-rechte/, zuletzt aufgerufen am 25.10.2023.
7 Stellungnahme Arbeitsgruppe 1 Komission Neuregelung §218, Bundesverband Lebensrecht e.V., Stellungnahme: https://bundesverband-lebensrecht.de/wp-content/uploads/sites/42/2023/10/BVLStellungnahmeKommission1023.pdf, zuletzt aufgerufen am 25.10.2023.
8 Abtreibungsdebatte: ein neuer Fokus, Imago Hominis (2010); 17(1): 59-64, Enrique H. Prat, https://www.imabe.org/imagohominis/imago-hominis-1/2010-altern-in-wuerde/abtreibungsdebatte-ein-neuer-fokus.
Timm W.
Was ich intuitiv verstand als ich anfing, mich mit dem Thema Lebensschutz zu beschäftigen, war dass die Energie für einen Kampf gegen Abtreibungsbefürworter verschwendet ist. Es muss um die Stärkung der Frauen gehen und darum, Alternativen zu zeigen in psychischen Extremsituationen. Insofern muss der politische Weg über den Neuanstoß der Debatte laufen. Dabei darf das Langfristziel natürlich nicht verloren gehen und Sichtbarkeit und Aufklärung ist ebenso wichtig. Ich werde sehen, was ich als neues KALEB-Mitglied bewegen kann.
Sebastian Meichßner
Sehr schön, Herzlich Willkommen an Bord!!! 😉
Der „Neuanstoß der Debatte“, den fordert Prat auch in seiner PDF. Das wäre auch der gemeinsame Nenner zwischen Pro Familia und dem BVL bspw., den ich versucht habe hier zu zeigen. Damit würde auch der „Kampf gegen Abtreibungsbefürworter“ enden, weil wir uns in dem Punkt alle „für die Frau“ einsetzen würden. Den zweiten Kern unserer Motivation, den Embryo, müssten wir dann aber wie den sprichwörtlichen „Elefanten im Raum“ behandeln. Deswegen finde ich Prat’s Artikel so spannend, herausfordernd und in gewisser Hinsicht auch aufreibend.
Nun ja. Es gibt viel zu tun. Gehen wir es an.