Die männliche Spermafabrik hat ein Problem. Forscher von der Hebrew University in Jerusalem haben herausgefunden, dass in den letzten 45 Jahren die Spermienanzahl pro Milliliter Samenflüssigkeit um die Hälfte gesunken ist. Warum und wieso weiß aktuell noch niemand. Wir hätten da aber so eine Vermutung…
Trends bei der Spermienzahl
Die Forschergruppe um den israelischen Epidemiologen Hagai Levine hat in ihrer systematischen Überprüfung und Meta-Regressionsanalyse von Proben, die im 20. und 21. Jahrhundert weltweit gesammelt wurden1 entdeckt, dass 1971 in einem Milliliter Samenflüssigkeit noch 101 Millionen Spermien unterwegs waren. 2018 waren es nur noch 49 Millionen.2
Männer? Wir haben ein Problem. Und, Herr Kahn, bitte jetzt nicht mit der Forderung aufwarten, dass „wir Eier bräuchten„. Wir wissen was das heißt. Aber daran liegt es sicherlich nicht.
„Ich denke, das ist ein weiteres Signal dafür, dass mit dem Globus etwas nicht stimmt und dass wir etwas dagegen tun müssen. Ja, ich denke, es handelt sich um eine Krise, die wir besser jetzt angehen sollten, bevor sie einen Kipppunkt erreicht, der möglicherweise nicht mehr umkehrbar ist,“ wird Hagai Levine im Guardian zitiert.3
Nur noch heiße Luft?
Wie sind diese Zahlen, 45 Millionen pro Milliliter, jetzt einzuordnen? Der Guardian schreibt, aufgrund früherer Studien, dass „die Fruchtbarkeit beeinträchtigt wird, wenn die Spermienkonzentration unter 40 Mio. pro ml fällt. Die jüngste Schätzung liegt zwar über diesem Schwellenwert, doch Levine wies darauf hin, dass es sich dabei um einen Durchschnittswert handelt, der darauf hindeutet, dass der Prozentsatz der Männer, die unter diesem Schwellenwert liegen, gestiegen ist.“4 Und Hagai Levine selbst sagte dazu, dass ein „solcher Rückgang […] eindeutig eine Abnahme der Reproduktionsfähigkeit der Bevölkerung“ bedeute.4
„Prof. Richard Sharpe, Experte für männliche Reproduktionsgesundheit an der Universität Edinburgh, sagte, die neuen Daten zeigten, dass es sich bei diesem Trend offenbar um ein weltweites Phänomen handele. Sharpe sagte, dass der Rückgang bedeuten könnte, dass Paare länger brauchen, um schwanger zu werden, und dass für viele die Zeit nicht auf ihrer Seite ist, da sie den Versuch, schwanger zu werden, aufschieben, bis die Frau in ihren 30ern oder 40ern ist, wenn ihre Fruchtbarkeit bereits reduziert ist.“5
Die aktuelle Situation sei aber nicht nur ein Problem für Paare mit Kinderwunsch. Auch für die Gesellschaft ist das ein großes Problem. Denn in den nächsten rund 50 Jahren, werden immer weniger junge Menschen da sein, um zu arbeiten und die wachsende Zahl älterer Menschen zu unterstützen. Zu dem Fakt, dass Menschen immer weniger Kinder bekommen wollen, kommt also nun hinzu, dass sie immer weniger bekommen können.
Eine Vermutung
„Die Schlussfolgerung ist, dass die Spermienzahl sinkt. Die menschliche Rasse ist nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht, aber wir brauchen wirklich Forschung, um zu verstehen, warum die Spermienzahl sinkt, und um andere unbeabsichtigte Auswirkungen auf die männliche Gesundheit zu verhindern.“6 So fasst Dr. Sarah Martins da Silva von der Universität in Dundee (Schottland) diese aktuelle Studie zusammen.
Beim lesen dieser Studie kommt uns irgendwie der Artikel von Dr. med. Rudolf Ehmann aus der IDEA Doku „Verfügungsmasse Mensch?“ in den Sinn. Wir hatten bereits in unserem Beitrag „Cocktail für die Impotenz“ auf Ehmann’s Nachforschungen hingewiesen. Er fand heraus, dass ca. um die Jahrtausendwende unterhalb des Klärwerks Berlin-Ruhleben EE2-Konzentrationen7 bis 3 ng/l (Nanogramm pro Liter) gemessen wurden! Die Fische, die sich in diesem mit EE2 angereicherten Wasser aufhielten waren sehr besonders: Die Männchen interessierten sich nicht mehr für die Weibchen, Stichlinge z.B. unterliesen den Nestbau gleich ganz und es kamen schwere Missbildungen an den Sexualorganen der Flußbewohner vor. Das konnte sich sogar soweit auswirken, dass in Fischhoden weibliche Eizellen heranreiften!
Männliche Betroffenheit? Betretenes Schweigen. Diese Eier brauchen Männer nicht.
Männer bekommen auf Umwegen auch die Pille
Was haben jetzt aber weibliche Eizellen, die in Fischhoden heranreifen mit dem Rückgang der menschlich, männlichen Spermaproduktion zu tun? Naja, Ehmann macht in seinem Beitrag nach den Fischen auf einen weiteren Punkt aufmerksam, indem er folgendes schreibt:
„Nicht nur in Kläranlagenausläufen finden sich noch toxikologisch relevante Konzentrationen an EE2. Sondern dies trifft auch zu auf 10–50 % der sog. Oberflächengewässer, in denen die Konzentrationen im Mittel 0,1–5 ng / l betragen. […] Vieles deutet darauf hin: Die Herren der Schöpfung gehen bei Nebenwirkungen durch EE2 nicht leer aus, sie sind ’nur‘ später betroffen. Sicher ist: Das EE2 bleibt den modernen Zivilisationen in Gewässern als hochpotenter endokriner Disruptor noch lange erhalten; und es kehrt nun über das Trinkwasser auch zu seinen Erfindern zurück. Denn wenn es in einigen Gegenden EE2-Gehalte aufweist, bei denen Forellen bereits Zwitter werden, muß man sich fragen: Wieviel Raum bleibt hier noch für Spott über einen möglichen ursächlichen Zusammenhang von EE2 und Zeugungsunfähigkeit beim Menschen? […] Hierbei ist insbesondere eine wichtige grundsätzliche Beobachtung der Ökotoxikologie anzuführen: In vielen Fällen kann nämlich die Aufnahme sehr geringer Schadstoffmengen über einen längeren Zeitraum ungleich problematischer sein als kurzzeitig hohe Belastungen.“8
Bei den Jahren, die zwischen 1971 bis 2018 liegen, könnte man vielleicht schon von einem längeren Zeitraum sprechen, oder?
Zusammenfassung
Die gerade besprochene Studie vom 15. November 2022 fand heraus, dass seit 1971 das Spermienvorkommen in der Samenflüssigkeit bis 2018 rapide abgenommen hat. Diese Entwicklung verstehen die Forsher als unverkennbares Signal, dass u.a. auf dem Globus irgendwas nicht stimmt, was uns jetzt zum Handeln veranlassen sollte!
Kurze Zwischenfrage: Wann wurde gleich die Anti-Baby-Pille eingeführt? Weil, naja, das wäre schon interessant in Bezug auf die Ausführungen von Dr. Ehmann und seinen Fischhoden voller weiblicher Eizellen. Durch die Anti-Baby-Pille, so Ehmann, würden Frauen also technisch gesehen dem Grund- bzw. Trinkwasser täglich Hormone beisetzen, die unsere Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Wir sagen nicht, dass das der Grund ist. Uns würde eine detaillierte Forschung diesbezüglich aber brennend interessieren.
Selbst wenn dem so ist, braucht ihr jetzt überhaupt nicht von uns zu erwarten, dass wir den Vergleich zu den Forderungen von Paul Ehrlich, dem Autor der Bevölkerungsbombe, ziehen.9 Vergesst es! Und wird werden uns unterstehen irgendeinen Hinweis auf die Berichte von Gregory Pincus, dem Erfinder der Pille, über bevölkerungspolitische Maßnahmen in Indien zu liefern.10 Nein, hier jetzt nicht. Den Gefallen tun wir den Herren Pincus und Ehrlich nicht. Die würden sich wahrscheinlich lachend auf die Schenkel klopfen.
Danke für’s lesen. Was meint ihr dazu? Was könnten die Gründe sein? Vielleicht ist es auch das Handy in der Hosentasche? Zumindest liegt es nicht daran, dass wir zu wenig Eier hätten. Oder doch?
Quellen (alle aufgerufen am 18.11.2022):
1: Temporal trends in sperm count: a systematic review and meta-regression analysis of samples collected globally in the 20th and 21st centuries; Hagai Levine, Niels Jørgensen, Anderson Martino-Andrade, Jaime Mendiola, Dan Weksler-Derri, Maya Jolles, Rachel Pinotti, Shanna H Swan; Veröffentlich am 15 November 2022; https://academic.oup.com/humupd/advance-article/doi/10.1093/humupd/dmac035/6824414
2: ebd.; PDF S. 2
3: „“I think this is another signal that something is wrong with the globe and that we need to do something about it. So yes, I think it’s a crisis, that we [had] better tackle now, before it may reach a tipping point which may not be reversible,” said Prof Hagai Levine, first author of the research from the Hebrew University of Jerusalem.“ https://www.theguardian.com/society/2022/nov/15/humans-could-face-reproductive-crisis-as-sperm-count-declines-study-finds; Hervorhebungen d. Autors
4: „Previous studies have suggested that fertility is compromised if sperm concentration falls below about 40m per ml. While the latest estimate is above this threshold, Levine noted that this is a mean figure, suggesting the percentage of men below this threshold will have increased. ‚Such a decline clearly represents a decline in the capacity of the population to reproduce,‘ he said.“; https://www.theguardian.com/society/2022/nov/15/humans-could-face-reproductive-crisis-as-sperm-count-declines-study-finds; Hervorhebungen d. Autors
5: „Prof Richard Sharpe, an expert in male reproductive health at the University of Edinburgh, said the new data showed that the trend appeared to be a worldwide phenomenon. Sharpe said the decline could mean it takes longer for couples to conceive and, for many, time is not on their side as they are delaying trying to conceive until the woman is in her 30s or 40s, when her fertility is already reduced.“ https://www.theguardian.com/society/2022/nov/15/humans-could-face-reproductive-crisis-as-sperm-count-declines-study-finds
6: „The conclusion is that sperm counts are falling. The human race is not at immediate risk of extinction but we really need research to understand why sperm counts are falling and to prevent other unintended implications for male health.“; https://www.sciencemediacentre.org/expert-reaction-to-study-of-sperm-counts-over-time/
7: EE2 ist eine Abkürzung für das künstliche Sexualhormon Ethinylestradiol und in der Anti-Baby-Pille enthalten. Teile der, in der Pille vorkommenden künstlichen Hormone werden von der Frau nicht verarbeitet, über den Urin ausgeschieden und ins Abwasser geleitet. Die Kläranlagen, die dieses reinigen, bekommen die Hormone aber nicht raus. Also bleiben sie im Wasser.
8: Dr. med. Rudolf Ehmann, „Die lebenzerstörende Wirkung der Antibabypille“ in „Verfügungsmasse Mensch? Lebensanfang und Lebensende im Licht der christlichen Ethik“; 2010, S. 57f. https://www.jahlf.org/wp-content/uploads/2018/05/idea-doku-2010-tut-wirklichgut-.-1.pdf
9: Ehrlich schreibt in seinem Buch „die Bevölkerungsbombe, 1971, Carl Hanser Verlag, München auf S. 106f.: „Die Einführung der Bevölkerungskontrolle bei uns zu Hause ist also unsere erste Pflicht. Doch wie? Viele meiner Kollegen sind der Ansicht, daß eine gesetzliche Geburtenregelung in irgendeiner Form notwendig ist, um eine derartige Kontrolle zu verwirklichen. Ein häufig genannter Plan sieht die Beigabe von Sterilisationsmitteln zum Trinkwasser oder zu den Grundnahrungsmitteln vor. Das Gegenmittel müßte von der Regierung in sorgfältig bemessenen Dosen verteilt werden, um die gewünschte Bevölkerungsgröße zu erhalten. […] Es wäre möglich wenn auch nicht leicht, derartige Mittel zur Bevölkerungskontrolle zu entwickeln. Entweder müßte das Zusatzmittel für beide Geschlechter gleichermaßen wirksam und unschädlich sein, oder es müßte sich eine Möglichkeit finden lassen, daß es nur bei einem der Geschlechter wirkt und das andere davon nicht betroffen ist. Gibt man der ganzen Bevölkerung starke männliche Hormone, würden die Frauen steril werden und ihre weiblichen Züge verlieren.“
10: Gregory Pincus wird in Robert Jungk und Hans Josef Mundt (Hrsg.); Das umstrittne Experiment: der Mensch – Siebenundzwanzig Wissenschaftler diskutieren die Elemente einer biologischen Revolution; 1966; Verlag Kurt Desch GmbH München (deutsche Ausgabe); auf S. 133 wie folgt zitiert: „Natürlich wurde die Möglichkeit erwogen, das Mittel [gem. ist Verhütungsmittel] der Nahrung zuzusetzen. Auf der Tagung der International Planned Parenthood Federation (Internationae Vereinigung für Familienplanung) in Delhi im Jahre 1959 sagte Dr. Bhaba von der indischen Atomenergiekommission, daß der wirtschaftliche Fortschritt Indiens eine Beschränkung des Bevölkerungswachstums um 30 Prozent erfordere, und er stellte die Frage, ob man der Nahrung etwas bemischen solle, was die Fruchtbarkeit vermindert. Dr. Parkes und Dr. Noble sagten darauf, sie wüßten ein wirksames Mittel (das sich allerdings noch im experimentellen Stadium befand), aber die einzelnen Menschen auf Medikamente verschieden reagieren, könnte es dazu führen, daß manche Frauen unfruchtbar würden, die es gar nicht wollten, während es vielleicht bei anderen, die keine Kinder wünschten, wirkungslos bliebe. Deshalb scheint die freiwillige Kontrolle die einzige Möglichkeit, selbst in Ländern, in denen vernünftige Motivierung gegeben ist. Totalitäre Staaten könnten sich natürlich auf einen anderen Standpunkt stellen; aber ich bin wie Professor Klein ein Gegner der Diktatur.“
Bilder: Titelbild; Forscher_Reagenz; Paar_auf_Bank; Mann_Mütze; Berechnungen; Mann_denkt
Jason
Nicht weniger Sperma, sondern die Anzahl der Spermien. Dann muss der Mann eben häufiger kommen, um zum Erfolg zu gelangen.