17. September 2022, Berlin, Platz des 18. März, Brandenbruger Tor, 13:00 Uhr, knapp 4.000 Menschen. Die Wolken reisen auf, die Sonne zeigt sich: Herzlich Willkommen zum 18. Marsch für das Leben.
Die Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht (BvL), Alexandra Maria Linder, begrüßte alle Anwesenden in großem Respekt vor deren lebensrechtlichen Engagement im vergangenen Jahr. Linder stellte anschließend fest, dass die aktuelle politische Lage sehr schwierig sei. „Was mit der aktuellen Regierungskoalition zu tun hat. Werbung für Abtreibung ist jetzt erlaubt. Das macht die Sache jetzt nich wesentlich schlimmer, hat aber natürlich gesellschaftspolitisch die Folge, dass Abtreibung immer mehr als normal anerkannt werden soll. Das ist ja das Ziel dahinter. Welche Folgen es hat, wenn nicht Beratung und Hilfe flächendeckend angeboten wird, sondern Abtreibung, sieht man hier in Berlin. Berlin ist die Abtreibungshochburg Deutschlands. Hier gibt es flächendeckend Abtreibungsmöglichkeiten und die Zahlen sind entsprechend hoch. Es läuft also völlig falsch. Unsere Forderung daher: flächendeckende Hilfe und Beratung und Unterstützung für Frauen im Schwangerschaftskonflikt, statt flächendeckender Abtreibung.“1
„Ich bin einfach konsequent.“
Nach Linders Begrüßung wurde als erster Sprecher der langjährige Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe auf die Bühne gebeten. Dieser war u.a. gekommen, „damit Sie auch wissen es gibt noch Abgeordnete, die für das Recht auf Leben sind in diesem Haus dort vorne“2 [gem. i. d. Bundestag]. Hüppe hoffte, dass es auch bald wieder mehr Abgeordnete gibt, die sich für das Leben einsetzen. „Weil, liebe Freunde, das Recht auf Leben ist das wichtigste Grundrecht. Wenn man das nicht hat, ist man nicht mehr. Und deswegen stehen wir hier.“3
Hüppe, selbst für „Inklusion statt Selektion“, gab zu bedenken, dass wenn er „das sage, ist es immer schwierig. Es wird gesagt, wenn ich bei Inklusion vor der Geburt dafür bin, das Menschen mit Down-Syndrom z.B. nicht getötet und aussortiert werden, dann gelte ich als rechts. Wenn ich nach der Geburt für Inklusion bin, dann gelte ich als links. Und ich muss sagen, ich finde, dass ich einfach nur konsequent bin.“4 Hüppe betonte außerdem noch einmal: „Wir wollen keinen Staat, der viel Geld dafür ausgibt herauszufinden welche Menschen behindert sind und sie dann zu töten.“5
Abschließend forderte Hubert Hüppe alle Anwesenden auf: „Gehen Sie also raus. Kämpfen Sie für das Leben. Nicht nur heute, nicht nur auf der Straße, sondern auch bei Instagramm, bei Facebook, in den Gesprächen mit ihren Freunden, in Schulen, in der Gesellschaft. Wir stehen für das Leben. Und sagen Sie nicht einfach: ‚Es muss was geändert werden.‘ Sondern sagen Sie: ‚Wir müssen etwas ändern.'“6
Zurück zu den Grundprinzipien!
Anschließend führte Linder ein Interview mit dem Vorsitzenden der „Ärzte für das Leben e.V.„, Dr. Paul Cullen.
Cullen, der von Linder gefragt wurde in welchen Bereichen er die Gewissensfreiheit gerade bedroht sehe, gab zu bedenken, dass es derzeit eine Bewegung gäbe, die, auch aus ökonomischen Gründen, versucht die Freiheit der Ärzte bei den klinischen Entscheidungen einzugrenzen. „Und da natürlich die beiden klassischen Sachen: die Abtreibung, auch die Sterbehilfe. Da gibt es auch Bestrebungen, gerade was die Abtreibung angeht, auch in Deutschland z.B., die Abtreibung zum Teil der medizinischen Grundausbildung zu machen. Und das ist eine Situation wo jeder Medizinstudent und Medizinstudentin da mit machen müsste. Und auch Kliniken, die hinterher nicht bereit sind Abtreibungen anzubieten, kommen in Schwierigkeiten. Und dort seh ich die größte Gefahr im Moment.“7
Aber Cullen blieb hier nicht stehen. Er richtete seinen Blick auf positiven Alternativen, die er u.a. in der Verankerung des Gedankens sah, „dass es bei einer Schwangerschaft um zwei vollwertige Personen geht und dass es nicht um Schwangerschaftsgewebe oder sonst irgendwas geht, sondern, dass es ein Mensch ist, ein wehrloser Mensch im kleinen Zustand. Und dieser Gedanke muss mehr nach vorne getragen werden.“8 Außerdem betonte er die Autonomie des Patienten. „Das ist eine Sache, die ein bisschen untergegangen ist in den letzten zwei Jahren, dass der Patient ein autonomes Subjekt ist.“ Er fordert dazu auf, dass Dinge wie die „informierte Einwilligung“ und „diese ganzen Grundprinzipien der Medizin, wieder nach vorne gebracht werden.“9
Bitte diese Wahrheit akzeptieren
Danach sollten die Politiker, an die sich u.a. die Forderungen des Marschs für das Leben richten, selber einmal zu Wort kommen. Dazu wurde folgender Beitrag gezeigt, zu dem Cornelia Kaminskis (Bundesvorsitzende der AlfA e.V.) im Vorfeld bei EWTN sagte:
„Uns hat der Bundesjustizminister Buschmann in der Debatte am Fernseher gesagt: ‚Die Streichung des Werbeverbots für Abtreibung hat nichts mit dem Schutzkonzept für das ungeborene Leben zu tun. Wir bitten Sie diese Wahrheit zu aktzeptieren.‘ Und das ist natürlich keine Wahrheit, sondern wir wissen, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist. Uns ist allen klar, dass das eigentliche Ziel ist, den §218 zu streichen, aus dem Strafgesetzbuch rauszuziehen und das bedeutet in Deutschland, da müssen wir uns ganz klar darüber sein: Abtreibung bis zur Geburt. Ohne Beratung. Ohne Bedenkzeit. Ohne Beistand. Ohne Hilfe.“10
„Der Weg führt in die Irre.“
„Sie haben es gerade selber gehört, die Streichung von §219a, war überhaupt gar kein Eingriff in das Lebensschutzkonzept und es konnte auch niemand wissen, auch der Herr Buschmann nicht von der FDP, dass eigentlich die Streichung von §218 dahinter stand. Und, also für die Herrschaften, die dahinten trillern und pfeifen, die sollten erstmal zuhören. Die Streichung von §218 sorgt dafür, dass die Frauen eben nicht mehr gut beraten werden können, dass man ihnen bestimmt weniger Hilfe gibt. Und die Leugnung, dass die Streichung des §219a der Einstieg in die Abschaffung §218 war, davon konnten Sie sich gerade selber überzeugen wie glaubwürdig das ist. Und wenn wir jetzt auch noch an die Ärzteausbildung gehen, damit jeder einfach Mal so ’ne Abtreibung durchführen kann, dann wissen wir auch jetzt was das bedeutet. Der Weg führt in die Irre“11, stellte Sylvia Pantel, Geschäftsführerin der Stiftung für Familienwerte, mit einer gewissen Ironie fest.
Die Krise als Chance
Als nächstes bat Hartmut Steeb, der stellvertretende Vorsitzende des BvL, Sarah Göbel auf die Bühne. „Ich bin Hebamme“ sagte sie „und ich begleite Frauen in der Schwangerschaft und bei Hausgeburten, im Wochenbett. Und ich bekomme ganz nah die Einblicke in die Familien, wie es denen so geht. Und ich betreue u.a. auch Frauen, die eine Abtreibung hinter sich haben. Ich betreue Frauen teilweise nach Abtreibungen in der direkten Nachsorge. Und ich betreue Frauen, die trotz widriger Umstände sich gegen die Abtreibung, für’s Kind entschieden haben. Und ich dachte ich rede einfach mal ein bisschen aus der Praxis zu euch, zu Ihnen, um einfach zu erzählen, wie das so läuft.“12
Da wir diesen Beitrag so gut fanden, werden wir ihn in einem extra Beitrag abgetippt, in Kürze unter der obigen Überschrift veröffentlichen.
Schweigeminute
Danach folgte eine Schweigeminute für die vielen Kinder, die aufgrund einer Abtreibung nicht das Licht der Welt erblicken konnten. In dieser Zeit hatten sich zwei Aktivistinnen unter die Anwesenden gemischt und nach einer kurzen Stille schrien sie das übliche „My Body, My Choice. Raise your Voice!“
Tut uns leid. Aber diese Aktion ist an Respektlosigkeit kaum zu unterbieten. Wenn man kein Gehör findet, sich dann dieses in einer trauernden Schweigeminute zu erschleichen, ist mehr als ehrenlos.
Politisch Links. Atheistin. Für das Leben!
Den Höhepunkt der Kundgebung bildete die aufrüttelnde Rede der Gründerin des „Progessive Anti-Abortion Uprising (PAAU)„: Terrisa Bukovinac.
„Ich bin ein Atheistin. Ich bin auch eine linksgerichtete Progessive. […] Viele Leute fragen mich: Wie kann man progessiv und Atheistin sein und gleichzeitig für das Leben sein? Aber es ist ganz einfach. Ich glaube an die Werte der Gleichheit, der Gewaltlosigkeit und der Nichtdiskriminierung. Und diese Werte sind völlig unvereinbar damit, ein ungeborenes Kind zu vergiften oder zu zerreißen.“13
„Die Abtreibung hat weltweit mehr als einer Milliarde Menschen gewaltsam das Leben gekostet. Dies ist ein globaler Völkermord. Sie und ich sind hier, weil wir einen sozialen Wandel herbeiführen wollen. Aber ähnlich wie bei den Gerechtigkeitsbewegungen der Vergangenheit wird es sehr viel Mut erfordern, sich gegen eine Institution zu stellen, die so mächtig und gewalttätig ist, dass sie ein fester Bestandteil der Gesellschaft geworden ist. Ja, Gespräche sind wichtig. Aber das ist nicht genug. Bildung allein wird eine milliardenschwere Industrie nicht herausfordern. Wir müssen bereit sein, der Wissenschaft der sozialen Gerechtigkeit zu folgen und uns an gewaltfreien direkten Aktionen zu beteiligen.“14
Bukovinac gab die Marschrichtung auch gleich vor: „Wir müssen unsere Ängste vor Sanktionen, vor Verhaftung, vor dem Verlust von Freunden überwinden. Und wir müssen bereit sein, es anzugehen und soziale Spannungen auszuhalten, um einen sozialen Wandel herbeizuführen. Wir müssen für Familien in Not sorgen. Wir müssen eine gleichberechtigte, sichere und nachhaltige Welt aufbauen. Aber unabhängig von unserer Religion oder unserer Politik sind die Babys vom sicheren Tod bedroht und das ist ein Notfall. Sie haben niemanden, an den sie sich wenden können. Außer Ihnen und mir. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen. Stattdessen müssen wir sie retten. Wir müssen ihre Eltern retten. Und wenn wir das tun, werden wir die Welt retten. Ich danke Ihnen.“15
Danach ging es direkt auf die Straße.
Der Marsch für das Leben
Quellen: Marsch für das Leben 2022: https://www.youtube.com/watch?v=diGTANSI_oY&t=2246s, die folgenden Redner werden in dem Youtube-Video mit Beginn ihrer jeweiligen Reden verlinkt:
1: Alexandra Maria Linder, Begrüßung, 18. Marsch für das Leben, 17.09.2022, Berlin
2: Hubert Hüppe, 18. Marsch für das Leben, 17.09.2022, Berlin; https://youngandfree-kaleb.de/wp-content/uploads/2022/09/rede-hubert_hueppe_marsch_fuer_das_leben_2022.pdf
3: ebd.
4: ebd.
5: ebd.
6: ebd.
7: Dr. Paul Cullen, 18. Marsch für das Leben, 17.09.2022, Berlin
8: ebd.
9: ebd.
10: Cornelia Kaminski, Interview in der Liveberichterstattung von EWTN vor dem 18. Marsch für das Leben, 17.09.2022, Berlin
11: Sylvia Pantel, 18. Marsch für das Leben, 17.09.2022, Berlin; https://youngandfree-kaleb.de/wp-content/uploads/2022/09/rede-sylvia_pantel_marsch_fuer_das_leben_2022.pdf
12: Sarah Göbel, 18. Marsch für das Leben, 17.09.2022, Berlin; https://youngandfree-kaleb.de/wp-content/uploads/2022/09/rede-sarah_goebel_marsch_fuer_das_leben_2022.pdf
13: Terrisa Bukovinac, 18. Marsch für das Leben, 17.09.2022, Berlin; https://youngandfree-kaleb.de/wp-content/uploads/2022/09/Rede_Terrisa_Marsch_fuer_das_Leben_2022.pdf
14: ebd.
15: ebd.
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