Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte es vor Kurzem bereits angekündigt, Familienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/die Grünen) Anfang Januar herbei gesehnt und nun durfte der fehlende Ampelpart, die SPD, in Form von Gesundheitsminister Karl Lauterbach die endgültige Berufung der lang angekündigten Kommission vermelden.
Wen es wundert warum ausgerechnet Karl Lauterbach die berufene Besatzung verkündet: die Kommission wird dem Gesundheitsministerium (BMG), Lauterbach’s Haus, angegliedert.
Warum und Wieso
Die sog. Ampelkoalition hatte es in ihrem Vertrag bereits angekündigt, sie wolle „Mehr Fortschritt wagen„. Darin hieß es u.a., dass die koalierenden Parteien „eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin ein[setzt], die Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird.“1
Gesagt und eine gewisse Zeit später auch getan. Denn „[g]erade die politische Entscheidung komplexer ethischer Fragen braucht eine gute wissenschaftliche Basis“2, sagte Karl Lauterbach jetzt gegenüber dem Spiegel. Es gehe nämlich um äußerst schwierige Fragen, so Lauterbach weiter: „ob ein Schwangerschaftsabbruch auch außerhalb der jetzt geltenden Gesetze möglich sein soll, ob Eizellspenden legalisiert werden und ob wir Leihmutterschaft erlauben“.3 Deswegen sei es das Ziel dieses Prozesses „alle Seiten dabei mitzunehmen und dann zu einem gesellschaftlich respektierten Konsens zu kommen“.4 Insgeheim hatten wir gehofft, man würde uns mal fragen. Aber scheinbar sind wir kein Teil von ‚alle Seiten‘, den es mitzunehmen gilt.
Naja, wie dem auch sei. „Ob eine Gesetzesänderung noch in dieser Legislaturperiode realistisch ist, hängt auch davon ab, wie lange sich die Kommission für die Beratungen Zeit nimmt. Dazu wurden am Dienstag [28.02.2023] noch keine Angaben gemacht“, hieß es z.B. in der Taz.5
Who’s Who?
„Dem Expertenrat gehören 15 Frauen und drei Männer aus den Bereichen Ethik, Medizin und Recht an“, heißt es im Deutschlandfunk.6 Und diese insgesamt 18 Mitglieder wollen wir euch mal kurz vorstellen.
[Die folgende Liste zitieren wir von der Seite des Deutschen Ärztblatt (Siehe Fußnote 7). Ansonsten geben wir die anderen Quellen extra zitiert an.]
Fachbereich Medizin
Stephanie Wallwiener: Gynäkologin und Sektionsleiterin der Geburtshilfe und Perinatalzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg.
Katharina Hancke: stellvertretende Klinikdirektorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Ulms und leitet dort auch das Kinderwunsch- und Hormonzentrum. Sie ist auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer.
Fachbereich Ethik
Christiane Woopen: frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates und Professorin für Ethik und Theorie der Medizin an der Uni Köln. „Eine der eher konservativeren Stimmen in der Kommission […], die bis 2007 Mitglied im Verein ‚donum vitae zur Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens e. V.‘ war, der Schwangerschaftskonfliktberatungen mit christlichem Hintergrund anbietet. Woopen leitete auch schon den Deutschen Ethikrat und hat sich bereits im Auftrag der Bundesärztekammer mit Schwangerschaftsabbrüchen und Pränataldiagnostik auseinandergesetzt.“8
Sigrid Graumann: Professorin für Ethik im Fachbereich Heilpädagogik und Pflege an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, wo sie auch als Rektorin tätig ist. Sie ist ebenso Mitglied im Deutschen Ethikrat und arbeitet dort auch zu Fragen der Leihmutterschaft und Eizellspende.
Claudia Wiesemann: Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen und war sieben Jahre Mitglied des Deutschen Ethikrates sowie Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO).
Fachbereich Rechtswissenschaft
Frauke Brosius-Gersdorf: lehrt an der Uni Potsdam Öffentliches Recht und Verfassungsrecht und war Mitglied in der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer (ZEKO). „Frauke Brosius-Gersdorf […], hatte 219a in einem Gutachten schon 2020 für verfassungswidrig erklärt. Damals ging es konkret um den Fall der Ärztin Kristina Hänel .“9
Paulina Starski: Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg.
Bettina Weißer: Direktorin des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht der Universität zu Köln.
Maria Wersig: Juristin und Professorin für für Rechtliche Grundlagen der Sozialen Arbeit an der Fakultät Diakonie, Gesundheit und Soziales an der Hochschule Hannover und Vorsitzende des Juristinnenbundes. „Ihr Verein hatte bereits [am 08.12.2022] ein Gutachten [sog. Policy Paper] erstellt, in dem die Juristinnen feststellen, wie der Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden könnte und anmerken, wie rückschrittlich das deutsche Recht in diesem Punkt ist.“10 Dieses Policy Paper des deutschen Juristinnenbundes mit dem Titel „Neues Regelungsmodell für den Schwangerschaftsabbruch“ haben wir euch hier verlinkt.11
Liane Wörner: Inhaberin des Lehrstuhls Strafrecht, Strafprozessrecht sowie Medizinrecht und Rechtstheorie an der Universität Konstanz.
Susanne Lilian Gössl: Direktorin des Instituts für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung.
Ute Sacksofsky: Vizepräsidentin des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen und Professorin am Institut für öffentliches Recht der Universität Frankfurt.
Friederike Wapler: Lehrstuhlinhaberin für Rechtsphilosophie und Öffentliches Recht an der Universität Mainz.
Tobias Helms: Uni Magdeburg, der Schwerpunkt seiner Professur liegt auf dem Familien- und Erbrecht.
Jochen Taupitz: Medizinrechtler, war zwischen 1995 und 2022 Mitglied und ab 2016 auch Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer. Er ist Mitglied im Deutschen Ethikrat und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim.
Weitere Fachbereiche
Marika Böhm: hat die Professur für Sexualwissenschaft und Familienplanung an der Hochschule Merseburg inne.
Daphne Hahn: Gesundheitswissenschaftlerin an der Hochschule Fulda und untersucht derzeit im Projekt „Elsa“ die Erfahrungen und Lebenslagen von ungewollt Schwangeren.
Bernhard Strauß: Psychoanalytiker und Psychologischer Psychotherapeut mit Schwerpunkt Gruppentherapie sowie Direktor des Instituts für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie der Universitätsklinik Jena.
Salat alles? Geht klar!
Vielleicht eine zu flapsige Zwischenüberschrift? Wissen wir auch nicht so genau. Es entsteht aber bei uns ein komischer Eindruck, wenn man die Äußerungen der verschiedenen Politiker im Deutschen Ärzteblatt weiter liest:
Saskia Weishaupt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) forderte z.B. „dass der Schwangerschaftsabbruch eine Gesundheitsleistung werden müsse. ‚Eine Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches ist daher überfällig‘, sagte Weishaupt dem Deutschen Ärzteblatt.“12 Zur Leihmutterschaft und Eizellspende meinte sie, dass „[b]estehende soziale und finanzielle Ungleichheit […] nicht dazu führen [darf], dass sich Frauen gezwungen sehen, Eizellen abzugeben oder ein Kind für Dritte auszutragen.“13
Leni Breymaier (frauenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion) sagte: „Wir freuen uns, dass die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin noch in diesem Quartal eingesetzt wird und auch Regulierungen von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches prüfen wird“.12 Und Auch Carmen Wegge (stellvertretende rechtspolitische Sprecherin SPD) meinte: „Aus unserer Sicht sollte die Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht im Strafgesetzbuch geregelt werden. Der Paragraf 218 belastet und stigmatisiert betroffene Frauen zusätzlich, sowie Ärztinnen und Ärzte.“14
Nebenbei bemerkt: Die Union ist über dieses Vorhaben entsetzt: Die CSU hatte, nachdem Lisa Paus‘ im Januar mit den Hufen scharrte, bereits angekündigt, im Falle einer Streichung des §218 nach Karlsruhe vor das Verfassungsgericht zu gehen. Dieses hatte zuletzt vor 30 Jahren, also1993, die Sache auf dem Tisch liegen.15
Soll die Kommission jetzt nur liefern was bestellt wurde? Wie frei darf, kann und soll der Dialog dann sein? Ist das ein Dialog im Sinne von einmal Salat alles, mit Scharf und Käse? Oder ist es ein Dialog auf der Basis des Grundgesetzes? Aber warum ist dann kein einziger Religionsvertreter berufen16 worden? Hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz nicht (mehr) „im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“, sondern nur noch vor rechtsfähigen Personen, gegeben?17 Dürfen diesen 18 berufenen Personen jetzt mit ihren Fachbereichshandschuhen die Menschenwürde aushandeln und antasten? Wir wollen ihnen kein Unrecht tun. Aber was ist, wenn das wieder so eine Pilatuswaschung wird?
Fragen über Fragen. Glaube, wir sollten auch mal unsere eigene Kommission einberufen…
Quellen: zuletzt aufgerufen am 01.03.2023
1: Koalitionsvertrag 2021 – 2025 (SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN UND FDP), „Mehr Fortschritt wagen“, https://www.tagesschau.de/koalitionsvertrag-147.pdf, S. 118; Hervorheb. d. Autors
2: Karl Lauterbach, Sind Abtreibungen bald nicht mehr strafbar? Von Milena Hassenkamp, 27.02.2023, 17.33 Uhr, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schwangerschaftsabbrueche-sind-abtreibungen-bald-nicht-mehr-strafbar-a-98445b79-69ea-4463-86bc-e8863a101cd5
3: ebd.
4: ebd.
5: Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland: Bundesregierung beruft Kommission, https://taz.de/Schwangerschaftsabbrueche-in-Deutschland/!5919262/
6: Schwangerschaftsabbruch Ethik-Kommission gegründet, https://www.deutschlandfunk.de/ethik-kommission-gegruendet-102.html
7: Diskussion um Schwangerschaftsabbruch: BMG beruft Kommission, Dienstag, 28. Februar 2023 auf https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/141328/Diskussion-um-Schwangerschaftsabbruch-BMG-beruft-Kommission
8: Sind Abtreibungen bald nicht mehr strafbar? Von Milena Hassenkamp, 27.02.2023, 17.33 Uhr, https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schwangerschaftsabbrueche-sind-abtreibungen-bald-nicht-mehr-strafbar-a-98445b79-69ea-4463-86bc-e8863a101cd5; Donum Vitea ist uns hier schon mal positiv aufgefallen: https://youngandfree-kaleb.de/die-menschenwuerde-war-unantastbar-ii/
9: ebd.
10: Diskussion um Schwangerschaftsabbruch: BMG beruft Kommission, Dienstag, 28. Februar 2023 auf https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/141328/Diskussion-um-Schwangerschaftsabbruch-BMG-beruft-Kommission
11: Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb) · Parallelbericht Istanbul-Konvention · st20-31 · 25.11.2020 1/14
Policy Paper: Neues Regelungsmodell für den Schwangerschaftsabbruch, deutscher Juristinnenbund; https://www.djb.de/fileadmin/user_upload/st22-26_Policy_Paper_Schwangerschaftsabbruch.pdf bzw. https://www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st22-26
12: Diskussion um Schwangerschaftsabbruch: BMG beruft Kommission, Dienstag, 28. Februar 2023 auf https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/141328/Diskussion-um-Schwangerschaftsabbruch-BMG-beruft-Kommission
13: ebd.
14: ebd.
15: Siehe https://www.pro-medienmagazin.de/bayern-wuerde-gegen-streichung-von-abtreibungsparagraf-218-klagen/ und https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schwangerschaftsabbrueche-sind-abtreibungen-bald-nicht-mehr-strafbar-a-98445b79-69ea-4463-86bc-e8863a101cd5
16: siehe https://www.pro-medienmagazin.de/es-muss-eine-theologin-an-den-tisch/
17: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Präambel, https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_00-245200
Bildernachweis: Kreis_Hände_Menschen: https://unsplash.com/photos/ABVE1cyT7hk?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Mann_telefoniert: https://unsplash.com/photos/MPnn435Dr9w?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; Mann_erklärt_Laptop: https://unsplash.com/photos/5QgIuuBxKwM?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink; titelbild: https://unsplash.com/photos/RJSHKbnGjvU?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink
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