Wenn wir uns mit dem Lebensschutz beschäftigen, laufen uns immer mal wieder die interessantesten Theorien und Vorstellungen über den Weg. So geschehen kürzlich bei Platon’s großem Werk „Politeia“.
Platon macht sich in Politeia Gedanken wie denn der Staat, mit der Betonung auf der, aussehen könnte. In seinen Überlegungen kommt er irgendwann an den Punkt, dass es in einem Staate eine Sünde wäre sich „Ordnungslos […] zu vermischen“1. Der Gedanke stößt dann auf die von Platon geforderte Konsequenz, „dass wir weiterhin nach Kräften möglichst heilige Hochzeiten einführen werden“.2 Mit „möglichst heilig“ meint er aber keinen religiösen Ritus, sondern „heilig aber wären die nützlichsten.“3
Na holla. In welche Richtung darf’s denn gehen? Platon würde wohl, wenn er ihn denn damals schon gekannt hätte, mit Nietzsche antworten: Nicht fort sondern hinauf.4 Aber dazu gleich mehr.
Es folgt in Platon’s Werk ein kleiner Tierzüchterlehrgang. Richtig gelesen, und zwar um darzustellen wie man den „vorzüglichsten“ Tieren, wie er es nennt, dabei hilft sich fortzupflanzen, und damit der Herde sich hinauf zu entwickeln. Soweit so gut.5 Die Krux kommt aber jetzt: „[W]ie sehr müssen da unsere Regierenden ausgezeichnet sein, wofern es sich auch bei dem Menschengeschlechte ebenso verhält! […] Es scheint uns, dass die Regierenden viel Lug und Betrug werden anwenden müssen zum Besten der Regierten“.6 Denn es müssen ja, nach dem festgestellt wurde, dass es sich bei dem „Menschengeschlechte ebenso verhält […], die besten Männer den besten Weibern möglichst oft beiwohnen, und die schlechtesten Männer den schlechtesten Weibern möglichst selten, und die Kinder der einen muss man aufziehen, die der andern aber nicht, wenn die Herde möglichst vorzüglich sein soll, und alles dies muss geschehen, ohne dass es jemand außer den Regierenden selbst bemerkt […].“7 Die Vermählungen fädelt ebenfalls der Staat ein, „indem sie auf Kriege und Krankheiten und alles Derartige Rücksicht nehmen, so dass uns der Staat womöglich weder zu groß noch zu klein werde.“8 Bei den vom Staat initiierten Beziehungen werden „kluge Lose zu machen sein, damit jener Schlechte bei jeder Verbindung der Paare auf den Zufall, aber nicht auf die Regierenden die Schuld schiebe.“9
„Und denjenigen unter den jungen Männern, die im Kriege oder sonst wo sich tüchtig erweisen, muss man unter andern Auszeichnungen und Preisen wohl auch die häufigere Erlaubnis, bei Weibern zu schlafen, erteilen, damit zugleich auch unter diesem Vorwand möglichst viele Kinder von solchen gezeugt werden.“10 Die Nachkommen „von den Tüchtigen“ werden dann den Behörden übergeben und in eine bestimmte Anstalt zu Wärterinnen gebracht, „die in einem gewissen Teile der Stadt abgesondert wohnen, die von den Schlechteren aber, und wenn etwa von den andern eines gebrechlich zur Welt kommt, werden sie an einem geheimen und unbekannten Orte verbergen, wie sich’s geziemt. […] Auch für die Nahrung dann werden diese Sorge tragen, indem sie die Mütter in jene Wohnung bringen, wenn sie volle Brüste haben, aber jede Vorkehrung treffen, dass keine ihr Kind zu sehen bekommt, und wenn diese nicht zureichen, so werden sie andere Weiber, die Milch haben, herbeischaffen“.11
Platon konstatiert, dass die beste Zeit für die Fortpflanzung beim Mann in seinen dreißigern und bei der Frau in den Jahren zwischen zwanzig bis vierzig besteht. „Wenn dann aber, denke ich, die Weiber und Männer über das Alter des Zeugens hinaus sind, so werden wir ihnen Freiheit lassen beizuwohnen, wem sie wollen“.12 Keine Sorge, Inzest klammert Platon aus. Die soll es nicht geben. Aber diese freie Liebe gibt es für die Bevölkerung „erst, nachdem wir sie aufgefordert haben, am liebsten dafür zu sorgen, dass die Frucht, wenn sie erzeugt ist, gar nicht das Licht erblicke, wofern es aber nicht verhindert werden kann, es so zu halten, als gäbe es keine Nahrung für einen solchen.“13
Spätestens mit dem letzten Satz sind wir beim Kern des Lebensrechts angelangt. Und damit machen wir keinen kurzen Zeitsprung und befinden uns im 20. Jahrhundert. Dort gab es einen gewissen Hans Harmsen (Gründer von Pro Familia), der sagte: „Träger erblicher Anlagen, die Ursache sozialer Minderwertigkeit und Fürsorgebedürftigkeit sind, sollten tunlichst von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden.“14 Geht klar Herr Harmsen. Sein amerikanisches Pendant, Margaret Sanger (Gründerin Planned Parenthood), war folgender Meinung: „Geburtenkontrolle ist […] die Freisetzung und Kultivierung der besseren Rassenelemente in unserer Gesellschaft und die allmähliche Unterdrückung, Beseitigung und schließliche Ausrottung defekter Bestände.“15
Scheinbar ist Eugenik, wie dieses Denken auch genannt wird, ein echter Evergreen in der Geschichte der Menschheit. Unsere Freunde von der Bevölkerungskontrolle können da ein Lied von singen. Deswegen empfehlen wir euch unsere Kategorie „Überbevölkerung“.
Um noch einmal auf die Überschrift zu sprechen zu kommen. Wir sind auf den Text von Platon durch einen Beitrag von Max Horkheimer über „die Zukunft der Ehe“16 gestoßen. Horkheimer schrieb, dass „in Platon’s idealem Staat, […] bei den oberen Schichten keine Monogamie mehr“17 herrscht. Außerdem merkt Horkheimer an, dass dort, in Platons Staat, „die Frauen […] den Männern gemein [sind] wie die Kinder“.18 Da konnten wir uns nicht erwehren und mussten an die derzeitigen Pläne der Bundesregierung denken. Jedoch, so der ehemalige Klassenlehrer der Frankfurter Schule, soll laut Platon „weder ein Vater sein Kind noch ein Kind seinen Vater kennen.“19 Nachdem Horkheimer Platon’s Werk ausführlich zitiert hatte, beendet er den Abschnitt in dem genannten Vortrag mit folgenden Worten: „Nochmals: das steht in keinem Plan des Dritten Reichs. Auch nicht in Huxleys oder Orwells Karikaturen der Zukunft, sondern in Platons Ploliteia, dem höchst verehrten Buch des großen Philosophen.“20
Quellen zuletzt aufgerufen am 05.02.2023
1: PLATON: DIE WERKE im vollständigen Text in deutscher Sprache mit beigefügten griechischen und lateinischen Textfassungen, http://opera-platonis.de/Platon_Werke.pdf, PDF S. 881 (siehe http://d-nb.info/1056922311/)
2: ebd.
3: ebd.
4: Friedrich Nietzsche: „Nicht fort sollt Ihr Euch entwickeln, sondern hinauf.“ gefunden auf: https://www.zitate.eu/autor/friedrich-wilhelm-nietzsche-zitate/33622
5: Platon, siehe FN. 1, S. 881
6: ebd.
7: ebd.
8: ebd., S. 882
9: ebd.
10: ebd.
11: ebd.
12: ebd. S. 883
13: ebd.
14: Zitat entnommen bei https://www.sundaysforlife.org/de/ressourcen/pro-familia; (Hans Harmsen vgl. https://www.sundaysforlife.org/de/blog/post/hans-harmsen-eine-kurze-biografie)
15: ebd.
16: Max Horkheimer: Die Zukunft der Ehe, in: Gesammelte Schriften, Band 8: Vorträge und Aufzeichnungen 1949–1973, Frankfurt a. M., 1985, S. 280-293; https://www.youtube.com/watch?v=-gGvOxFaYCE&t=243s
17: ebd., S. 282
18: ebd.
19: ebd.
20: ebd., S. 283
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