Am 18.05. war die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss über die von der Regierung geplante Abschaffung des §219a. Es waren mehrere Experten geladen, darunter auch unser Geschäftsführer von Kaleb e.V. Albrecht Weißbach. Wir haben uns die Anhörung mal zu Ohren genommen und geben euch hier einen kleinen Einblick.
Es waren eigentlich alle anwesend, die Rang und Namen haben. Neben Doctor’s for Choice und Pro Familia auch, oder vor allem, Kristina Hänel. Aber und gerade wegen der Thematik durfte Kaleb e.V. gar nicht fehlen. Als Experte für das Leben. Und Kaleb hat für das Leben seine Stimme erhoben:
„Sie und ich, wir haben wichtige Entwicklungsetappen im Leib unserer Mutter bewältigt. Unsere Biographie begann nicht erst mit dem Durchtrennen der Nabelschnur. Die Psychologie weiß heute sehr viel über pränatale Prägungen des Kindes. Und nun wird hier von den Regierungsparteien behauptet, dass der Schutzauftrag für das ungeborene Leben durch den Wegfall von § 219a nicht beeinträchtigt werden wird! Gleichzeitig sollen wir akzeptieren, dass das Kind im Mutterleib jetzt schon als ‚Schwangerschaftsgewebe‘ diskriminiert wird? […] Ich bitte den Deutschen Bundestag, nicht nur den § 219a StGB als Teil des staatlichen Schutzes für die Würde des Menschen zu betrachten, sondern darüber hinaus Maßnahmen zu ergreifen, die eine falsche Einordnung der Abtreibung als ’normale‘ medizinische Heilbehandlung verhindern. Denn Willkommenskultur für Kinder ist – wie die Inklusion Behinderter – nicht nur eine Aufgabe für Einzelpersonen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Danke!“1
Sachverständige mehrheitlich für Aufhebung von Paragraf 219a
Wir wollen hier nicht auf die jeweiligen Beiträge und Fragen eingehen. Es sind die gut zwei Stunden aber wert sich die öffentliche Anhörung mal auf die Lauscher zu geben. Verweisen möchten wir an dieser Stelle auf die verlinkten Stellungnahmen auf der verlinkten Seite des Bundestages. Hier findet sich eigentlich alles lesens(un)werte zur Debatte.
Gedankenanstösse
Ein paar Gedanken beschäftigen uns aber doch, die möchten wir euch nicht vorenthalten.
Frau Univ.-Prof. Dr. med Angela Köninger gab zu Bedenken, dass sich Ärzte nicht aus Angst vor Anfeindungen oder Veruteilungen gegen eine Durchführung von Abtreibungen, entscheiden würden. Sondern aufgrund von Wissen und Gewissen. Ergänzend sagte sie später, dass der Arzt auch sehr früh (im Falle einer gewollten Schwangerschaft) ein Arzt des Kindes sei und alles für dessen Wohl und Leben tue.
Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel meinte, dass eine Abschaffung des §219a keine Rechtssicherheit, vor allem nicht für Ärzte brächte, sondern das genaue Gegenteil erreichen würde. Die Seite des Bundestage zitiert ihn wie folgt: „Das Ziel des Regierungsentwurfes, mehr sachliche Informationen zu den Methoden von Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen, lasse sich zielgenauer mit einer Änderung des Paragrafen erreichen. Zudem eröffne die Abschaffung Spielräume für ‚meinungshaltige‘ Darstellungen bis hin zur Publikumswerbung. Dies widerspreche der Forderung des Bundesverfassungsgerichts, der Gesetzgeber müsse dem Eindruck entgegentreten, bei einem Schwangerschaftsabbruch handele es sich um einen ‚alltäglichen, also der Normalität entsprechenden Vorgang’“. Unterschiedlich bewerteten Hoven und Kubiciel auch die geplante Aufhebung von rechtskräftigen Verurteilungen.“2
Er mahnte, dass es derzeit keinen Wandel der Rechtsauffassung, sehr wohl aber der politischen Mehrheit, gebe.
Im Allgemeinen erweckte die Anhörung den Eindruck, dass hauptsächlich der §219a der Versorgungslage in Deutschland bezüglich Abtreibung im Wege steht. Dieser Zusammenhang hat sich uns noch nicht ganz erschlossen. Abschaffung des Werbeverbots generiert mehr Ärzte die Abtreibungen durchführen? Schon dieser Satz müsste stutzig machen. Müsste…
Außerdem würde durch die Streichung die Beratung stark unterwandert werden. Wer braucht die dann noch, wenn alle Informationen bei den „Götter_innen in weiß“ erhältlich sind. Das soll nicht zynisch klingen, sondern die unterschwellige Meinung, die wir von Ärzten haben noch einmal verdeutlichen. Was sie uns sagen hat immer noch mehr Gewicht als die Beraterin. Aber wer garantiert dafür, was diese großen „Zellklumpen“ uns an Informationen geben?
Ebenfalls sei auf eine Aussage von Frau Monika Börding (Bundesvorsitzende pro familia e. V.) hingewiesen. Die sagte in der Fragerunde sinngemäß, dass durch die Strafgesetzgebung noch kein Schwangerschaftsabbruch verhindert worden sei. Sie wollte damit sagen, dass auch der §218 eig. nutz- und sinnlos ist.
Ja, die die abgetrieben sind, sind alle tot. Aber wie viele durch die norm- und wertgebende Kraft des §218 gerettet wurden und deren Mütter wegen dieses Gesetzes erst gar nicht auf die Idee kamen, wird Frau Börding und auch wir niemals heraus finden.
Interessant ist auch, dass egal wie gut vorbereitet und ausgefeilt die Argumentation für die Abschaffung des Paragraphen waren: Sobald plötzlich das (weggedachte) Kind wieder ins Spiel kommt, fangen alle ein bisschen das „schwimmen“ an. So gesehen u.a. bei Frau Valentina Chiofalo in der zweiten Fragerunde. Ihre Stellungnahme und Antworten waren – neutral betrachtet – eine Wucht. Aber dann kam das Kind und sie geriet ein bisschen ins Schlingern. Eigentlich ein Sinnbild des Lebens. Sobald das Kind sich anmeldet gerät alles ein bisschen aus den Fugen. Interessant was ein Kind mit Erwachsenen alles machen kann.
Abschließend: Frau Dr. Natascha Sasserath-Alberti rief am Ende der Anhörung zur Geduld auf. Man solle doch das Urteil des Bundesverfassgunsgerichts abwarten. Das würde mehr Sicherheit in die Debatte bringen. Egal wie es ausfällt. Es in der Anhörung sei so viel über die vergangenen Urteil des Gerichts gesprochen worden, warum jetzt die Eile? Wir haben hier ebenfalls die Richtung gedacht und schließen uns Frau Sasserath-Alberti an: Warum jetzt die Eile?
1: Weißbach Albrecht, Geschäftsführer Kaleb e.V., 18.05.2022 – Link ab Min. 50.30, die Schriftliche Stellungnahme findet ihr hier verlinkt
2: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw20-pa-recht-schwangerschaftsabbruch-892470
Bilder: Titelbild; Mann_mit_Aktentasche; Mann_Rampenlicht
Schreibe einen Kommentar