Marco Buschmann wollte das jüngste Gerichtsurteil gegen Klimaaktivisten1 verteidigen. Dabei ist unserem Bundesjustizminister aus der rhetorischen Trickkiste scheinbar ein sog. Kunstgriff in die Hände gefallen, um das Urteil gleich mal als Exempel zu nutzen. Welcher das ist und was wir davon halten, erfahrt ihr hier.
Who ist Marco Buschmann? Oder, was bisher geschah!
Marco Buschmann hat große Ambitionen. Noch vor der Amtseinführung hatte er gesagt: „Ich möchte möglichst schnell den Paragrafen 219a StGB streichen“2 Später in der Debatte im Parlament war es ihm sehr, sehr wichtig darauf hinzuweisen, dass §219a mit dem Schutzkonzept des ungeborenen Menschen nichts zu tun habe. Es ginge um seriöse Informationen über Schwangerschaftsabbrüche. Es sei nämlich so, dass wir im Internet jeden „Verschwörungtheroretiker, jeder Fake-News-Schleuder [erlauben] jeden Unsinn über Schwangerschaftsabbrüche zu verbreiten.“3
Nur mal so unter uns: Buschmann hatte in der gleichen Rede gesagt: „Stellen Sie sich dazu bitte eine junge Frau vor, die schwanger ist und die in Erwägung zieht, diese Schwangerschaft zu unterbrechen.“4 Das wird echt schwierig mir das vorzustellen, denn eine Schwangerschaft, das menschliche Leben, dass sich da entwickelt, kann man wohl kaum unterbrechen? Können Sie Ihr Leben im Sinne einer sog. „Schwangerschaftsunterbrechung“ einfach unterbrechen? Und warum greift ein Bundesjustizminister eigentlich auf einen Euphemismus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zurück?5
Vor ein paar Wochen hatte Buschmann beim FAZ Podcast sich dann sehr liberal gegeben. Über die Einsetzung der Kommission, die die Frage nach dem §218 im Strafgesetzbuch klären sollte, sagte er: „Und das ist der Grund warum ich es für unglücklich halte da jetzt schon irgendwie zu sagen dieses oder jenes sollte das Ergebnis sein, sondern wir sollten jetzt dieses Arbeitsprogramm die Kommission abarbeiten lassen und anders kann es im Rechtsstaat nicht sein. Wenn wir eine Verfassung haben und wenn wir eine Verfassungsrechtsprechung zur bindenden Interpretation der Verfassung haben, dann müssen wir das als Politik beachten und wenn wir etwas tun wollen, was damit in Konflikt gerät müssen wir sauber prüfen ob das geht oder ob das eben rechtlich nicht geht. […] Und deshalb würde ich sagen, lassen wir die jetzt arbeiten. Schauen wir uns ein einem guten Jahr das Ergebnis an und dann kann man konkret sagen welche Schlussfolgerungen man daraus zieht.“6
Die Katze ist aus dem Sack
Dass Buschmann aber von der Lebensschutzbewegung in Deutschland gar nicht so begeistert ist, war eigentlich klar. Aber was er wirklich über sie denkt und mit wem er sie vergleicht, hat er rhetorisch jetzt sehr geschickt aufblitzen lassen. Zitiert wird aus dem Welt.de Artikel, in dem die Aussage gefunden wurde:
„Buschmann warf den [Klima]Aktivisten vor, mit ihren Protesten dem Klimaschutz zu schaden. ‚Letztlich schadet die Letzte Generation mit ihrem Vorgehen ihrem Anliegen‘, sagte Buschmann. Die Letzte Generation habe überzogene, aggressive Vorstellungen von der Durchsetzung ihrer Ziele. Mit Straftaten werbe man nicht für Klimaschutz. Der Justizminister verteidigte die Gerichtsurteile gegen Klimaaktivisten. ‚Wir leben in einem Rechtsstaat. Da gelten die gleichen Regeln für alle.‘ Wenn akzeptiert würde, dass sich ein Teil der Gesellschaft unter Berufung auf ein höheres Ziel nicht an das Recht gebunden fühle, würden das sicher immer mehr Gruppen für sich in Anspruch nehmen. ‚Was jetzt die Klimakleber tun, probieren dann möglicherweise als Nächstes die Reichsbürger oder radikale Abtreibungsgegner‘, sagte er.“7
„Ein Bundesjustizminister sollte sich vor Hate speech hüten.“
Die Antwort der Lebensschützer folgte prompt. Alexandra Maria Linder (Vorsitzende Bundesverband Lebensrecht) sagte in der Pressemitteilung: „Die heutige Aussage des Bundesjustizministers Marco Buschmann: ‚Was jetzt die Klimakleber tun, probieren dann möglicherweise als Nächstes die Reichsbürger oder radikale Abtreibungsgegner‘, ist aufgrund ihrer Radikalität und Unwahrheit nicht hinnehmbar. Mit dieser Aussage wird von ihm suggeriert, dass es in Deutschland Lebensrechtler gebe, die absichtlich Straftaten begehen, gegen die Verfassung verstoßen oder Leben gefährden. Dies ist unwahr, denn es gab und gibt nachweislich weder Personen noch Vorfälle vergleichbarer Art. Damit ist die Aussage des Ministers eine verleumderische Behauptung und Unterstellung. Ein Bundesjustizminister sollte sich vor Hate speech hüten.„8
Cornelia Kaminski (Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle e.V.) fordert Buschmann sogar auf, sich zu entschuldigen: „Die Behauptung des Ministers allerdings, man müsse hier jetzt streng sein, damit in Zukunft nicht ‚radikale Abtreibungsgegner‘ die Methoden der Klimakleber nachahmen, entbehrt jeder Grundlage. Sie ist zudem ein sehr durchschaubarer Versuch, die Durchsetzung von Bannmeilen rund um Abtreibungseinrichtungen sprachlich vorzubereiten und den grünen Koalitionspartner zu befrieden, der über die harschen Worte des Ministers nicht erfreut sein dürfte. Stets haben in Deutschland Personen, die sich für das Recht auf Leben aller Menschen einsetzen, die Mittel und Rechte eingesetzt, die eine freiheitliche Demokratie hierfür vorsieht: das Recht auf Versammlungsfreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht und die Pflicht, Politiker in angemessener und friedlicher Weise auf die Dringlichkeit des Anliegens aufmerksam zu machen. Insofern unter ‚radikal‘ Personen verstanden werden, die – so wie die Klimakleber – meinen, ihre Ziele kompromisslos und entgegen der herrschenden Ordnung verfolgen zu können, sei dem Minister daher gesagt: ‚Radikale‘ Abtreibungsgegner gibt es in Deutschland nicht. Die von den Klimaklebern akzeptierte Gefährdung des Lebens anderer, die bewusst einkalkulierte Eskalation der Situation in der Bundeshauptstadt, die zu Gewalttaten führen wird – das sind Mittel, die in direktem Gegensatz zur Grundhaltung der Lebensrechtsbewegung in Deutschland stehen. Die Lebensrechtsbewegung setzt sich stets dafür ein, das Leben aller Menschen zu verteidigen und zu schützen. Gewalt, Nötigung, Eskalation, Straftaten: Das alles sind Mittel, die ihr absolut fremd sind. Die Gleichsetzung radikalisierter Straftäter, die eine ganze Bundeshauptstadt in Geiselhaft nehmen, mit den friedlichen und lebensbejahenden Aktionen der Lebensrechtsbewegung in Deutschland ist eine Entgleisung, die eines Ministers unwürdig ist. Sie stellt zudem eine Form von Hassrede dar, die völlig inakzeptabel ist – insbesondere dann, wenn sie von einem Minister geäußert wird, der sich sonst so lautstark dafür einsetzt, Hassrede im Internet einzufangen.„9
Sehr geehrter Herr Buschmann…
…danke, dass wir jetzt wissen was Sie von uns halten bzw. wie Sie uns sehen. Sie haben uns mit einer Art Kunstgriff einfach mal so mit Klimaklebern und Reichsbürgern auf eine Ebene gestellt. Krass. So einfach wird man aus dem demokratischen Diskurs gedrängt. Wenn das wirklich stimmen würde, was Sie Herr Buschmann behaupten, dann können Sie jetzt kinderleicht jedes Wort von uns als gegen den Rechtsstaat gerichtet verstehen und dementsprechend handeln.
Müssen wir also demnächst mit Razzien rechnen, weil wir durch unseren Einsatz FÜR das Leben den Rechtsstaat delegitimieren könnten? Werden wir als Lebensschützer bald auch Hausdurchsuchungen zu befürchten haben? Dabei kann ich Ihnen schon jetzt versichern, dass die einzigen Waffen, die Sie bei mir finden werden, ein paar alte Bücher sind mit denen ich arbeite. Ich hoffe doch sehr, dass die weiterhin erlaubt sind…
Quellen und Anmerkungen (zuletzt aufgerufen a, 22.04.2023):
1: Drei Klimaaktivisten müssen jetzt monatelang in Haft, Stand: 18.04.2023| Lesedauer: 3 Minuten, https://www.welt.de/politik/deutschland/article244861504/Letzte-Generation-Drei-Klimaaktivisten-muessen-jetzt-monatelang-in-Haft.html.
2: Buschmann geht von Bußgeld bei Verletzung einer möglichen Impfpflicht aus, Markus Decker und Eva Quadbeck, RedaktionsNetzwerk Deutschland, https://www.rnd.de/politik/moegliche-corona-impfpflicht-marco-buschmann-kann-sich-bussgelder-vorstellen-4EEAN4LC3BAUTL75TMGA3W7PGU.html; vgl.: https://youngandfree-kaleb.de/c2a7219a-streichen-am-besten-jetzt-gleich/.
3: Im Videomitschnitt hier (https://www.youtube.com/watch?v=0K86PStjpEA&t=208s), Plenarprotokoll (https://dserver.bundestag.de/btp/20/20035.pdf#P.3319) auf S. 38 von 98 linke Spalte (Infotext beim Youtube Video: Der Bundestag hat am Freitag, 13. Mai 2022, erstmals über einen dazu vorgelegten Gesetzentwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (Paragraf 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch“ beraten.)
4: Im Videomitschnitt hier (https://youtu.be/0K86PStjpEA?t=164), Plenarprotokoll (https://dserver.bundestag.de/btp/20/20035.pdf#P.3319) auf S. 38 von 98 linke Spalte.
5: In der DDR war es das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“, Quellen und mehr Informationen dazu findet ihr hier: https://youngandfree-kaleb.de/euphemismen-fuer-das-leben/.
6: Justizminister Marco Buschmann am 15.02.2023 in „Will die Ampel eine andere Gesellschaft?“ von Von Stephan Klenner und Reinhard Müller (https://www.faz.net/podcasts/f-a-z-einspruch-podcast/will-die-ampel-eine-andere-gesellschaft-18681162.html), ab 1:11:05h; bzw. hier https://youtu.be/U4wfNXpHQ2E?t=4265
7: „Es ist unverantwortlich, wenn durch Straßenblockaden Rettungskräfte behindert werden“, Stand: 21.04.2023, https://www.welt.de/politik/deutschland/article244913958/Lauterbach-ueber-Letzte-Generation-Unverantwortlich-wenn-Rettungskraefte-behindert-werden.html, Hervoheb. und Anmerk. durch den Autor.
8: „Ein Bundesjustizminister sollte sich vor Hate speech hüten.“, Pressemitteilung zur heutigen Äußerung des Bundesjustizministers Marco Buschmann über die Lebensrechtsbewegung, https://www.bundesverband-lebensrecht.de/ein-bundesjustizminister-sollte-sich-vor-hate-speech-hueten/, Hervorheb. d. Autors.
9: Wer für das Leben eintritt, begeht keine Straftaten – Kaminski: Minister Buschmann sollte sich bei der Lebensrechtsbewegung entschuldigen, https://www.alfa-ev.de/alfa-wer-fuer-das-leben-eintritt-begeht-keine-straftaten-kaminski-minister-buschmann-sollte-sich-bei-der-lebensrechtsbewegung-entschuldigen/, Hervorheb. d. Autors.
Bildnachweis: Titelbild: https://unsplash.com/photos/Pq14mS-iaVs?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink, Mann hält sich Hand vors Gesicht: https://unsplash.com/photos/7Ssnka8OqLM?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink, Bücher: https://unsplash.com/photos/eeSdJfLfx1A?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditShareLink
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