Ferda Ataman, die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, zeigte sich begeistert vom neuen Selbstbestimmungsgesetz und sagte „[d]as Selbstbestimmungsgesetz hilft einer kleinen Minderheit, für die allermeisten Menschen ändert sich nichts.“1
Das, so lässt Ataman sich in der Pressemitteilung ihrer Behörde zitieren, „wissen [wir] aus vielen Ländern, in denen es das schon gibt“2. Warum dann aber der Protest gegen dieses Gesetz? Warum ist es so umstritten. Wenn sich doch für die allermeisten Menschen nichts ändert? Dann muss es ja an nichts liegen und der Widerstand bedeutet: nichts.
Nichts bedeutet es für Eltern, wenn sie nun eine Gefahr für das Wohl ihres Kindes darstellen, sollten sie Transgender bedenklich finden.3 Es ist nichts, dass die einzelnen Familienmitglieder isoliert und zur Brausetablette4 im Wasser werden. Für die Mit-Menschen der jeweiligen Person soll es nichts bedeuten, dass sie eine Straftat begehen, sollten sie den ‚alten‘ Namen verwenden.5 Auch das vorgeschriebene Menschenbild, das nun per Gesetz etabliert und zementiert wurde, ist nichts.6 Nichts verändert auch die gesetzlich geforderte Toleranz, sofern sie denn noch als solche bezeichnet werden kann. Dass sich potentiell alle Bürger vor dem Standesamt von ihrer Biologie, ihrem Körper, scheiden lassen können, ist auch nichts. Für Frauen bedeutet das Selbstbestimmungsgesetz nichts, denn als solche gibt es sie und ihre privaten Räume gar nicht mehr.7
Und für was bedeutet’s für euch? Ihr meint wohl gar nichts dazu?
Ataman hätte recht, wenn Menschen alles individuelle, sozial-isolierte Wesen wären. Wenn die Handlungen des Einzelnen keine Auswirkungen auf andere Menschen hätten. Damit sähe sie den Menschen aber nur halb. Und er befände sich gleichzeitig auf dem Weg in den totalen Staat. Dazu hatten wir schon mal ein Zitat vom Rechtsphilosoph Prof. Dr. Andreas Kinneging in Radikale Individualisierung: „Radikale Individualisierung bedeutet impliziert einen sehr großen Staat. Einen totalen Staat. Weil das Individuum an sich immer klein und schwach ist und andere braucht. Aber da alle klein und schwach sind und individualisiert, hilft man einander nicht. Es gibt keine Gemeinschaften mehr. Und deshalb kommt es dazu, dass der Staat immer gefragt wird zu unterstützen und zu helfen. Und das bedeutet, dass radikale Individualisierung und ein immer totalitärerer Staat zwei Seiten derselben Münze sind.“8 Bin mir nicht sich ob das in den Behörden allen klar ist. Kann es sein, dass sich für sie definitiv nichts ändert? Wenn dem so wäre, dann gäbe es kein ‚Wir‘, sondern ganz viele individuelle, aber gleichzeitig von einander isolierte, ‚Ich’s‘. Wenn sich, so Frau Ataman, für die allermeisten Menschen wirklich nichts ändert, dann gibt es kein Volk mehr. Und wenn es kein Volk mehr gibt, dann kann von ihm auch keine Macht mehr ausgehen, dann ruft nichts „Wir sind das Volk!“, denn ‚Wir‘ sind Nichts. Dann war’s das mit der Demokratie. Aber das macht (das) Nichts?(!)
Der Mensch jedenfalls ist aber immer Einzeln/Individuell und in einer Gruppe/Kollektiv. Der Mensch muss zwischen den Polen Individualismus und Kollektivismus eine ausgewogene Mitte finden, um nicht wieder vom Extremismus magnetisiert zu werden. Zur Zeit übt jedoch, abgestoßen von den Kollektivismen des 20.Jhd., die individuelle Seite eine enorme Anziehungskraft auf den Menschen aus. Anhand unsere Erde wird uns gezeigt, dass das Leben an den jeweiligen Polen nahezu unmöglich ist. Die Geschichte wiederum hat die Gefahren einer halbseitigen Betrachtung des Menschen aufgezeigt.9 Wir jedenfalls plädieren dafür den Menschen ganz zu sehen. Wir machen keine halben Sachen. Einer für Alle und Alle für Einen, versteht sich.
Wem nichts jetzt noch mehr interessiert, dem empfehlen wir Also sprach Judith Butler: Es werde Nichts.
Danke für…
…die Zeit, die du dir genommen hast.
Quellen:
Titelbild: https://unsplash.com/photos/brown-wheat-field-during-daytime-IPuEtxMny_c?utm_content=creditShareLink&utm_medium=referral&utm_source=unsplash
- Zuerste gelesen auf: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-11/selbstbestimmungsgesetz-geschlechtseintrag-in-kraft-getreten-kritik, zuletzt aufgerufen am 02.11.2024; die Aussage gibt es aber schon seit dem 12.04.2024 als offizielle Pressemitteilung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/20240412_Ataman_zu_SBG.html, zuletzt aufgerufen am. 02.11.2024. ↩︎
- Ataman: Selbstbestimmungsgesetz „großer gesellschaftlicher Fortschritt“, https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2024/20240412_Ataman_zu_SBG.html, zuletzt aufgerufen am 02.11.2024. ↩︎
- Sehr empfehlenswerter Beitrag: https://www.corrigenda.online/trend/laila-mirzo-ich-hatte-mein-kind-die-trans-bewegung-verloren, zuletzt aufgerufen am 02.11.2024. ↩︎
- Inhaltsstoffe: Nichts mehr. Siehe dazu u.a.: https://youngandfree-kaleb.de/olaf-scholz-gestern-und-heute/ ↩︎
- Das sog. Deadnaming (vgl. https://echte-vielfalt.de/lebensbereiche/lsbtiq/was-ist-deadnaming-und-wie-koennen-wir-es-vermeiden/, zuletzt aufgerufen am 02.11.2024). Ich war fast geneigt es den „ursprünglichen“ Namen zu nenen. Da triggerte mich aber der Beitrag über die Grundlagen, die Judith Butler mit ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ legte: https://youngandfree-kaleb.de/also-sprach-judith-butler-das-unbehagen-der-geschlechter/ und hier „Was wollte Judith Butler?“. ↩︎
- Siehe dazu u.a. https://youngandfree-kaleb.de/lesbische-maenner-mit-weiblichem-penis/; https://youngandfree-kaleb.de/warum-es-meine-zustimmung-braucht/; Ich soll per Gesetz nun zustimmen, dass ein biologischer Mann eine transistierte Frau sein kann. Ich soll die biologische Realität als Fiktion begreifen und die gedankliche Fiktion als Realität. Das ist nicht „nichts“. ↩︎
- Siehe https://youngandfree-kaleb.de/also-sprach-judith-butler-das-unbehagen-der-geschlechter/ unter der Überschrift „Was wollte Judith Butler“. ↩︎
- https://www.youtube.com/watch?v=F7xrIybQkhU; https://youngandfree-kaleb.de/radikale-individualisierung/; zuletzt aufgerufen am 02.11.2024. ↩︎
- Z.B. die einseitige Betonung des Menschen als Kollektiv-Wesen in Ideologien wie dem Nationalsozialismus und Kommunismus. ↩︎
Schreibe einen Kommentar