Am 9. März 1972 gab es aus feministischer Sicht einen großen Sprung nach vorn. Auf dem Weg zur langersehnten Befreiung der Frau wurde das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ eingeführt. Rückblickend fragen wir uns jedoch ob dieses Gesetz wirklich allein der Befreiung der Frau diente: Die DDR Regierung plagten im Hinblick auf ihren Arbeitsmarkt große Sorgen und sie stand damals im politischen Konkurrenzkampf mit dem System des Westens.1
Dazu vielleicht ein Zitat des derzeitigen Kommissionsmitglieds2 und Projektleiterin der ELSA Studie3 Daphne Hahn?
„In der Frage der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches trafen wesentliche Faktoren der DDR-Identität mit ihrer Außenorientierung zusammen. Als großes Medienereignis hatte die im Stern im Sommer 1971 veröffentlichte Selbstbezichtigungskampagne von Frauen in der Bundesrepublik einen grundlegenden Meinungsumschwung ausgelöst, der die Debatte zum Schwangerschaftsabbruch nachhaltig beeinflusste. Im Zuge dieser Kampagne häuften sich die Vorstöße zur Freigabe der Abtreibung. In den Führungsgremien der SPD zeichneten sich ziemlich rasch danach Mehrheiten für eine Fristenlösung ab, die vorher noch nicht existierten. Diese Entwicklung wurde durch die Beschlussfassung der FDP zur Einführung einer Fristenlösung unterstützt. Im November 1971 tagte ein außerordentlicher Parteitag der SPD, in dem die Mehrheit diesem Modell zustimmte. Damit war der Weg für einen gemeinsamen Fristenentwurf geebnet und eine gesetzliche Regelung rückte in greifbare Nähe (Gante 1993).
Für die DDR war dies der Impuls, ohne den geringsten Verzug ein eigenes Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch zu formulieren. Die Freigabe des Schwangerschaftsabbruches als vormaliges Ziel der Kommunistischen Partei, in deren Traditionslinie sich die SED verstand, konnte keinesfalls der Bundesrepublik überlassen bleiben. Dies hätte dem Selbstverständnis der DDR einen irreparablen Schaden zugefügt und musste infolgedessen mit einer zügigen Reaktion beantwortet werden.“4
Niemand hatte die Absicht, dass die Zahlen steigen
Als das Gesetz in der DDR eingeführt wurde kam es zu einem sprunghaften Anstieg der sog. „Schwangerschaftsunterbrechungen“. Nicht zuletzt weil durch die Überschreibung „Schwangerschaftsunterbrechung“ ein völlig irreführender Begriff gewählt wurde. Wird bei diesem Vorgang, der in euphemistischer Weise5 als „Unterbrechung“ umschrieben wurde, nicht das Leben eines Menschen beendet? Das Lebens eines Menschen, der sich nicht erst zum, sondern als Mensch entwickelt, wie es Prof. Dr. Erich Blechschmidt6 und später das Bundesverfassungsgericht 1993 feststellten?
„Das Gesetz [aus der DDR] hat [trotz Mauer] zu einer grenzenlosen Abtreibungsmentalität geführt. Sie machte Frauen gegenüber Erpressungen seitens der Eltern, Partnern und der Gesellschaft schutzlos.“7 Wir fragen uns, ob man heute mit der Abschaffung des §218 nicht doch die Frauen einer großen Freiheit beraubt. Der Freiheit sich trotz Karrierechancen, trotz Ausbildungsbeginn, trotz Personalnot in der jeweiligen Firma, trotz Beziehungskrise, dann trotzdem „irrationalerweise“ FÜR das Kind zu entscheiden.
Früher war alles besser!…?
Ja, „[d]ie Tatsache, daß Westdeutschland strengere Gesetze als Ostdeutschland hatte, löste im Zuge der Wiederverereinigung und aufgrund der Notwendigkeit, ein einheitliches Gesetz vorzulegen eine heftige Debatte aus.“8 Aber es ist erschreckend, dass heute im Rahmen der Forderung „Weg mit §218“ die Gesetzeslage der damaligen DDR als ertrebenswert angepriesen bzw. idealisiert wird.9 Die aktuelle Regelung wird abgelehnt. Vor dem Hintergrund dessen was Daphne Hahn schreibt ist jedoch das (wieder) herbei gesehnte DDR-Gesetz mitnichten eine feministische Errungenschaft gewesen, sondern schlichte und kalte Bervölkerungspolitik. Politisches Kalkü. Es war eine Bevölkerungspolitik, die zwar einen emanzipatorischen Anstrich erhielt, in ihrem Kern aber der Versuch war dem Westen ein Schnippchen zu schlagen.
Kein Einzelfall
Die Geschichte wiederholte sich 1994 auf der ICPD in Kairo. Dort versuchte man die globale Bevölkerungspolitik mit dem wohl klingenderen Begriff der „reproduktiven Rechte“ zu deklarieren. Feministinnen, die diese Ettiketenschwindel bemerkten und Beispiele von Männern anführen, die ihre Frauen zur Abtreibung zwangen, schrieben dazu treffenderweise: „Das ist die brutale Realität der ‚reproduktiven Rechte‘, für die liberale westliche Feministinnen so leidenschaftlich kämpfen. Es bleibt Bevölkerungskontrolle, auch wenn der Begriff in ‚reproduktive Rechte‘ geändert wurde.“10
Wir fragen uns was der Feminismus eigentlich will. Es drängt sich immer mehr die Sicht auf, dass er sich (un)wissentlich vor den Karren von Bevölkerungskontrolleuren spannen lässt.11 Und mit ihrem Schrei nach dem DDR –„Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ würden die Feministinnen wohl sogar mit einer Diktatur gemeinsame Sache machen. Hauptsache dieser §218 bzw. jegliches Verbot eines Schwangerschaftsabbruch ist endlich vom Tisch? Koste es was es wolle?
Blind vor Wut? Was meint ihr? Haben wir das falsch verstanden? Ziel verfehlt? War es früher doch besser? Kommentiert gerne was ihr dazu denkt.
Quellen:
1 Vgl. https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/angebote/dossiers/30-jahre-geteilter-feminismus/schwangerschaftsabbruch-in-ddr-und-brd (zuletzt aufgerufen am 20.04.2023).
2 https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/kommission-zur-reproduktiven-selbstbestimmung-und-fortpflanzungsmedizin-konstituiert-sich-223460, siehe „Mitglieder der Arbeitsgruppe 1“.
3 https://elsa-studie.de/hochschule-fulda/.
4 Daphne Hahn, Modernisierung und Biopolitik: Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nach 1945; https://www.researchgate.net/publication /316100427_Modernisierung_und_Biopolitik_Sterilisation_und_Schwangerschaftsabbruch_in_Deutschland_nach_1945; S. 269f.
5 Vgl. https://youngandfree-kaleb.de/euphemismen-fuer-das-leben/.
6 Vgl. Blechschmidt Erich; Wie beginnt das menschliche Leben; 1989; 6. neubearbeitete Auflage; Christiana Verlag; S. 158f.
7 Walter Schrader, Lebensrecht – seit der Zeit der DDR bis heute, in Manfred Balkenohl / Roland Rösler (Hg.) Handbuch für Lebensschutz und Lebensrecht (vergriffen) © 2010 by Bonifatius GmbH Druck – Buch – Verlag Paderborn, S. 262.
8 Peter Singer, Praktische Ethik, 2. revidierte und erweiterte Auflage 1994, Reclam, S. 177f.
9 Vgl. u.a.: Youtube – Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung über ungewollte Schwangerschaften, Paragraphen 218 & 219, Min. 59:40ff.; Youtube – Feministische Positionen zum Schwangerschaftsabbruch und §218 (Heinrich Böll Stiftung), Min. 1:15:20.
10 https://fipaz.files.wordpress.com/2015/11/bumerang-1-mutterschaft-im-patriarchat.pdf; S. 164: „This is the brutal reality of ‘reproductive rights’ so passionately fought for by liberal westernised feminists. It remains population control even if the term has been changed to ‘reproductive rights’.“ Übersetzt mit DeepL.com
11 Vgl. https://youngandfree-kaleb.de/imperialistische-und-patriarchale-strategie/.
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