Es gibt in der Diskussion um Abtreibungen u.a. die Meinung, dass es bis zu dem Zeitpunkt ab dem ein Embryo Schmerz empfinden kann erlaubt sein sollten ihn abzutreiben. Der promovierte Frauenarzt Michael Kiworr schätzt diese Auffassung wie folgt ein.
„Tut das weh bei Ihnen?“
[Der folgende Beitrag ist zuerst erschienen auf https://www.idea.de/artikel/abtreibungen-bis-zum-schmerzempfinden-erlauben]
Eines ist sicher: Es gibt keinen festen Zeitpunkt, ab dem das Nervensystem „entwickelt“ wäre: Es ist wie in der gesamten Entwicklung des Menschen eine kontinuierliche und eben nicht „stufenweise“ Entwicklung. Die Bildung des Nervensystems beginnt schon früh (etwa ab der dritten bis vierten Lebenswoche) mit der Ausbildung des Zentralen Nervensystems und des Rückenmarks.
Dann folgt die Entwicklung des peripheren Nervensystems. Und dann wird dieses weiter ausgebaut, differenziert, es entstehen die Verbindungen und „Verschaltungen“. Zunächst sind Reflexe und das autonome Nervensystem (z. B. das Herz, das bereits in der dritten Woche zu schlagen beginnt) allmählich einsatzbereit und dann die Sensorik einschließlich der Ausbildung der Sinnesorgane und der willkürlichen Motorik.
Hier lässt sich eben keinerlei „Zeitpunkt“ bestimmen, ab wann eine bestimmte „Leistung“ vorhanden ist. Und dies ist eben auch nicht messbar wie außerhalb der Gebärmutter z. B. per Nervenleitgeschwindigkeit. In so frühen Stadien kann man zwar untersuchen, ob und wie viele Nerven und Nervenendigungen/Verbindungen vorhanden sind – freilich ohne sagen zu können, welche Auswirkungen und Empfindungen dies für das Kind bedeutet.
Erst später kann man „messen“ oder sonografisch „sehen“, welche Reaktionen vorhanden sind, wenn das Kind z. B. auf Lärm mit Erhöhung der Pulsfrequenz „reagiert“. Das lässt aber keine Aussage darüber zu, ab wann solche Reaktionen bereits früher vorliegen, die eben noch schwächer und weniger messbar sind. Und diese kontinuierliche Entwicklung setzt sich nach der Geburt weiter mit einer immensen Entwicklung des Gehirns sowie der Fein- und Grobmotorik fort.
Wenn man sich diese kontinuierliche Entwicklung genauer anschaut, ist es grundsätzlich möglich, dass Emotionen und Empfindungen wie Schmerz bereits ab der fünften Lebenswoche spürbar sind – aber wahrscheinlich noch sehr schwach – und sich dann kontinuierlich weiterentwickeln. Grundsätzlich ist es auch fragwürdig, das Existenzrecht des Kindes von bestimmten „Leistungen“ des Nervensystems abhängig zu machen: Menschen im Koma, in Narkose oder am Ende ihres Lebens erbringen diese „Leistungen“ auch nicht. Das gilt auch für Menschen mit bestimmten Behinderungen oder Erkrankungen.
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Quellen: Bilder und Text auf Idea zuletzt aufgerufen am 05.01.2023
Bilder: Titelbild; Herz
ela
Danke für die vielen sehr guten Artikel!
Man könnte der Überzeugung sein, dass wir immer mehr wissen
und deshalb immer mehr Ehrfurcht vor dem Leben haben.
Das müsste doch eigentlich so sein.
Da der Mensch aber, von Gott getrennt, ein Egoist ist, wird es gerade immer schlimmer.
Man will nicht einmal mehr forschen nach der Wahrheit.